Die römische Kaiserzeit. Die Legionen und das Imperium

Die Legionen und das Imperium – mit diesem Untertitel versieht Armin Eich seine Geschichte der römischen Kaiserzeit vom Prinzipat des Augustus bis zur Reichskrise des 3. Jahrhunderts und benennt damit das in seinen Augen Prägende der Epoche: Damit ein einzelner Mensch die Macht im zuvor oligarchisch-republikanisch geprägten römischen Staat behaupten konnte, war er zwingend auf die Unterstützung des Militärs angewiesen. Da die Stellung des „Kaisers“ (ein Begriff, den Eich in diesem Kontext als Anachronismus entlarvt) nie eine formalrechtliche Absicherung erfuhr, sondern wenigstens in der Theorie immer irregulär und durch fiktive Notstände gerechtfertigt blieb, konnten sich weder eine von der militärischen Tüchtigkeit unabhängige Machtlegitimation noch eine rein dynastische Nachfolgeregelung entwickeln. Infolgedessen behielten die Soldaten, insbesondere auch die Prätorianer als Eliteeinheit, über Jahrhunderte hinweg ihre Rolle als Kaisermacher. Sich die Legionen durch finanzielle Zuwendungen, durch die Selbststilisierung zum erfolgreichen Feldherrn und nicht zuletzt auch durch Beschäftigung und Beute verheißende Eroberungskriege gewogen zu halten, war daher für so gut wie alle römischen Kaisern unverzichtbar.
Dieses Fundament der Herrschaft stellte jedoch zugleich ihre größte Gefährdung dar, und das nicht etwa nur, weil ein Kaiser, der die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllte, sich sehr schnell durch einen den Truppen genehmeren Usurpator verdrängt finden konnte. Vielmehr waren der Unterhalt der für antike Verhältnisse riesigen Berufsarmee und vor allem die zahlreichen kostspieligen Feldzüge ein Verlustgeschäft. Wie ein roter Faden ziehen sich daher die aus überhöhten Militärausgaben resultierenden Finanzprobleme durch Eichs Darstellung, die dank ihrer Synthese von biographischen Skizzen der einzelnen Kaiser mit zeitübergreifend thematisch ausgerichteten Abschnitten die Ereignisgeschichte gut in ihren gesellschaftlichen und kulturellen Kontext einbettet.
Deutlich wird dabei vor allem, dass selbst relative Friedensphasen unter um Konsolidierung bemühten Kaisern (wie etwa Antoninus Pius) nur sehr bedingt als „goldenes Zeitalter“ gelten können, da gravierende soziale Probleme regelmäßig ungelöst blieben und neben den ohnehin entrechteten und Willkürakten ausgesetzten Sklaven auch weite Teile der freien Unterschicht ein recht perspektivloses Dasein führten, aus dem allenfalls die Verpflichtung zur Armee einen Ausweg versprach.
Als positiven Gegenentwurf zu diesem von Ungleichheit und Gewaltakten geprägten Tableau versucht Eich das entstehende Christentum zu zeigen, das als „pazifistisches Netzwerk“ zu einer Art unpolitischem Staat im Staate herangereift sei und nicht nur durch die Einbeziehung Marginalisierter, sondern auch im Kontrast zur untrennbar mit Eroberung und Unterdrückung assoziierten römischen Religion mit ihrem von den Herrschenden aufoktroyierten Kaiserkult stetig an Attraktivität gewonnen habe.
Hier stellt sich dann doch die Frage, ob Eich nicht zu sehr aus der Rückschau argumentiert und in Kenntnis der historischen Entwicklung das Christentum schon etwas zu früh als zwangsläufiges Erfolgsmodell betrachtet, denn gerade in der neueren Forschung mehren sich Stimmen, die durchaus anzweifeln, dass an der flächendeckenden Christianisierung kein Weg vorbeigeführt hätte (siehe etwa die ebenfalls in diesem Blog besprochenen Werke von Eberhard Sauer und Rene Pfeilschifter).
Den entscheidenden Faktor für die Destabilisierung des römischen Reichs, das im 3. Jahrhundert aus der Rolle der expandierenden Hegemonialmacht in die permanente Defensive gedrängt wurde, sieht allerdings auch Eich nicht im Erstarken des Christentums, sondern im durch die sogenannte Antoninische Pest (ohne dass dieses Stichwort je fallen würde) in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts ausgelösten demographischen Einbruch innerhalb des Imperiums, dem zeitgleich ein massives Bevölkerungswachstum im Barbaricum gegenübergestanden habe. Allerdings räumt der Autor selbst ein, dass diese Theorie spekulative Elemente hat, da sich mithilfe der Siedlungsarchäologie allenfalls punktuell Belege dafür finden lassen und verlässliche Statistiken fehlen.
An manch einer Stelle möchte man Die römische Kaiserzeit daher mit einem Fragezeichen versehen und eher als Gedankenanstoß denn als definitive Interpretation eines vielschichtigen Zeitalters betrachten. Aufgrund von Eichs pointierten Formulierungen und seiner Fähigkeit, selbst komplizierte Zusammenhänge allgemeinverständlich zu umreißen, bleibt das lohnende Sachbuch jedoch auch dann ein Lesegenuss, wenn es gerade zu Widerspruch reizt.

Armin Eich: Die römische Kaiserzeit. Die Legionen und das Imperium. München, C.H. Beck, 2014, 304 Seiten.
ISBN: 978-3406660122


Genre: Geschichte