Archive

Die kleine Kanzlei gewinnt immer

Das Leben bleibt abwechslungsreich für die Münchner Anwältinnen Kerstin und Helen: Während Kerstin ihre frisch in einer Zusatzausbildung gewonnenen Mediationskenntnisse erstmals in der Praxis anzuwenden versucht und gleich an einen komplizierten Fall gerät, stellen sich vermeintliche Gesundheitsprobleme bei Helen als unverhoffte Schwangerschaft heraus. Zwingt diese Neuigkeit die verwöhnte Juristin zunächst nur, auf alkoholfreien Prosecco umzusteigen, ergeben sich bald ernstere Schwierigkeiten, und ausgerechnet jetzt fällt auch noch Frau Vogt, die treue Seele der Kanzlei, für mehrere Wochen aus und wird von der jungen Meggy ziemlich eigenwillig vertreten. Ob sich wohl dennoch alles zum Guten wendet?

Wer schon die ersten beiden Bände von Elly Sellers um Die kleine Kanzlei gelesen hat, ahnt, dass die Antwort auf die Frage Ja lautet, denn wie seine Vorgänger ist auch der neue Roman Die kleine Kanzlei gewinnt immer leicht zu lesende Unterhaltung, die ihren Protagonistinnen trotz aller Sorgen nichts allzu Dramatisches zustoßen lässt. Wie immer hat die Autorin viel Freude daran, die fachliche Seite der Arbeit einer auf Familienrecht spezialisierten Kanzlei zu schildern, aber dank des sommerlichen Settings kommen auch genüssliche Tage auf dem Balkon und prächtige Blumensträuße nicht zu kurz. Wie gewohnt werden auch allerlei kulinarische Verlockungen geschildert, die den Heldinnen den Alltag versüßen.

Das Figurenensemble erfährt durch Meggy, die – in prekären Verhältnissen in einer Hochhauswohnung aufgewachsen – in sozialer Hinsicht einen Kontrapunkt zum komfortablen Dasein ihrer Arbeitgeberinnen bildet und, einer jüngeren Generation zugehörig, ganz auf Digitalisierung setzt, eine interessante Erweiterung, doch auch die schon bekannten Charaktere entwickeln sich Stück für Stück. Insbesondere Helen, die bisher abseits ihres Berufs ein recht lockeres Leben voll spontaner Kurzurlaube, edler Restaurantbesuche und wechselnder Affären geführt hat, muss hier lernen, dass ihre feste Beziehung und mehr noch ihr sich ankündigendes Kind ihr Umstellungen und Kompromisse abverlangen. In mancherlei Hinsicht bleibt sie sich allerdings selbst treu: Gebrauchte Kindersachen kommen ihr mit ihrem Hang zum Luxus selbstverständlich nicht ins Haus (oder wenn doch, dann nur lange genug, um sie rasch im nächsten Sozialkaufhaus zu entsorgen).

Subtiler sind die Veränderungen bei Kerstin, die ihren im letzten Band begonnen Weg, stärker auf eigenen Beinen zu stehen, hier fortsetzt, aber auch mit weiteren Verschiebungen innerhalb ihrer Familie zurechtkommen muss: Ob ihr der höchst geheime neue Freund ihrer pubertierenden Tochter recht sein soll, weiß sie genauso wenig, wie Frau Vogt sich mir der alles andere als pflegeleichten Flamme ihres Sohnes anfreunden kann … Doch bei der Rechtsanwaltsfachangestellten wird hier ohnehin ein wenig am Selbstbild gerüttelt, das bisher so stark auf ihren Beruf ausgerichtet zu sein scheint, dass sie selbst in den aus ihrer Perspektive erzählten Abschnitten eben ganz seriös „Frau Vogt“ bleibt (ihren Vornamen liest man jedenfalls nur in der wörtlichen Rede ihres Mannes, der auch hinter ihrer plötzlichen Abwesenheit aus der Kanzlei steckt und für sie einiges in Bewegung bringt). Ein bisschen Niedlichkeit kommt durch Helens jetzt schon sprechenden Großneffen Robin mit ins Spiel, der sie dennoch nur unvollkommen auf ihre eigene Mutterrolle vorbereiten kann.

Das Lektorat hätte etwas gründlicher sein können, denn neben ein paar Tippfehlern sind auch kleine Widersprüche im Text stehen geblieben (heißt der Rechtsanwalt, der Kerstin ihre erste Mediation vermittelt, Gulden oder Gülden, und ist Frau Bosch nun Dolmetscherin oder Fremdsprachensekretärin?), aber darüber kann man hinweglesen. Mit seinen kurzen Kapiteln und filmisch raschen Szenenwechseln eignet sich das Buch gut als entspannte Liegestuhllektüre für den nächsten Urlaub, die einen unterhält, ohne einen zu überfordern, und Fans der Reihe wollen sicher ohnehin wissen, wie es mit den Damen aus der kleinen Kanzlei und ihrem Umfeld weitergeht.

Elly Sellers: Die kleine Kanzlei gewinnt immer. Norderstedt, Books on Demand, 2024, 258 Seiten.
ISBN: 978-3-758-38306-9


Genre: Roman

Paul und Marie

Paul und Marie sind frisch geschieden, aber so sehr, dass sie ihm seinen heißgeliebten Hut, den er versehentlich beim Gerichtstermin vergessen hat, nicht nachsenden würde, hasst die Münchner Anwältin ihren Ex-Mann nun doch nicht. Aus der freundlichen Geste entspinnt sich ein Briefwechsel, in dem es nicht nur um ausbleibende Unterhaltszahlungen, die ausbildungsunwillige Tochter, die anstrengende ehemalige Schwiegermutter oder die schulischen Probleme des Sohns geht, sondern viel mehr noch um Paul und Marie selbst und ihr Verhältnis zueinander in Vergangenheit und Gegenwart. Bald ahnt man, dass die beiden sich doch noch einiges zu sagen haben – und dass vielleicht nicht alles so ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen könnte. Denn ist Marie wirklich nur die brave, wohlanständige, hart arbeitende Frau, die um das Wohl der gemeinsamen Kinder besorgt ist und von Pauls Eskapaden eigentlich schon immer abgestoßen war? Und darf man allen wilden Geschichten, die Paul über seine Abenteuer im Ausland erzählt, vorbehaltlos glauben?

Elly Sellers, selbst Anwältin in München, hat schon in ihren Romanen um Die kleine Kanzlei Juristinnen aus ihrer Heimatstadt im Mittelpunkt stehen lassen. Ihren neuen Briefroman hat sie im Tandem mit Karl Backforth verfasst – ein vielleicht vom Hin und Her der geschilderten Korrespondenz angeregtes Pseudonym? Die ersten paar Seiten über könnte man dennoch glauben, dass sie in vertraute Fahrwasser zurückkehrt, geht es doch wieder um eine Anwältin und Themen wie Liebe, familiäre Beziehungen und das Einschlagen neuer Wege auf der Suche nach dem Glück.

Doch was als leichte und heitere Unterhaltung beginnt, erweist sich im Laufe des Briefwechsels als um einiges bissiger, schräger und chaotischer, als man es von den früheren Geschichten der Autorin gewohnt ist. Mit Rauschzuständen und Gefängnisaufenthalten ist also durchaus zu rechnen, ganz zu schweigen davon, dass man es mit einem ziemlich unzuverlässigen Erzählerduo (bzw. -trio, denn eines der Kinder des Paares mischt später auch noch mit) zu tun hat. Nicht immer erfährt man sofort die ganze Wahrheit, bestimmte Leerstellen muss man beim Lesen durch eigene Vermutungen ausfüllen, und manch eine überraschende Wendung erwischt einen kalt.

Maries zunächst abgeklärte und bisweilen knallharte Briefe bilden dabei einen gelungenen Kontrast zum oft überbordend blumigen Stil von Paul, der mal darüber sinniert, ob er „in einem früheren Leben Rentiere gejagt und Moorleichen fabriziert“ haben könnte, mal in erotischen Phantasien und halluzinogenen Pilzen schwelgt. So liest sich das relativ kurze Buch flott und vergnüglich weg, ob nun an einem Urlaubstag im Liegestuhl oder als kleine Unterbrechung des Alltags.

Elly Sellers, Karl Backforth: Paul und Marie oder Du schreibst so schön! Norderstedt, Books on Demand, 2022, 142 Seiten.
ISBN: 978-3-75-620681-0


Genre: Roman

Die kleine Kanzlei entdeckt Neues

Für die Münchner Anwältinnen Kerstin und Helen bahnen sich Veränderungen an: Helens Nichte, die seit einer Weile bei ihr lebt, bekommt ein Baby, und Helen entdeckt auf einmal ganz neue Seiten an sich. Kerstin muss unterdessen feststellen, dass ihr Mann schon seit Jahren ein Geheimnis vor ihr hat, das ihre Ehe zerstören könnte. Die Sekretärin der beiden sieht sich damit konfrontiert, dass ihr längst erwachsener Sohn eigenmächtig seinen Wiedereinzug in die elterliche Wohnung plant. Als wäre das alles noch nicht genug, beschränkt sich das Interesse mancher Mandanten an den Damen der kleinen Kanzlei nicht bloß auf den reinen Rechtsbeistand. Es beginnen also turbulente Zeiten …

Das Hauptproblem dieses im Grunde sympathischen Romans lässt sich nicht verschweigen, so gern man es angesichts der spürbaren Begeisterung der Autorin für ihre Figuren und deren Abenteuer unter den Teppich kehren würde: Das Lektorat hat in der mir vorliegenden Erstausgabe des Buchs eine Reihe von Flüchtigkeits- und Kontinuitätsfehlern übersehen. Laut Elly Sellers ist mittlerweile (Stand: 13.01.2021) allerdings schon eine Neuauflage in Arbeit, in der diese Kinderkrankheiten behoben sein sollen.

Sieht man von diesem Wermutstropfen ab, bietet Die kleine Kanzlei entdeckt Neues die schon aus dem ersten Band gewohnte leichte Unterhaltung, die sich flott und locker wegliest. Eine Hauptrolle spielt neben den Heldinnen auch wieder München an sich, die Heimatstadt nicht nur der Romanfiguren, sondern auch der Autorin. Insbesondere der Englische Garten ist diesmal mehrfach Handlungsort, an dem Spaziergänge zu unverhofften Begegnungen oder zur Vertiefung von Bekanntschaften führen. Auch auf das Schwelgen in kulinarischen Genüssen aller Art muss in diesem Band nicht verzichtet werden: Oft wird Verlockendes eingekauft, gekocht oder im Restaurant verzehrt. Alles in allem erhält man den Eindruck, dass es sich als Anwältin in Bayern nicht allzu schlecht lebt.

Die aus Elly Sellers‘ Debütroman bekannten zwischenmenschlichen Beziehungen werden dagegen kräftig durchgerüttelt. Dabei entwickelt sich die Charakterisierung der einzelnen Figuren ein gutes Stück weiter. Während die unangepasste Helen, die bisher ihre Ungebundenheit in vollen Zügen genossen hat, doch noch ein Bedürfnis nach mehr Beständigkeit und familiärer Nähe zu empfinden beginnt, sieht Kerstin ihre heile Welt ins Wanken geraten und bringt nach einigem Zaudern endlich den Mut auf, auch einmal an sich zu denken und eigene Wege zu gehen. Mehr Raum auf der Bühne bekommt außerdem Helens Nichte Sarah, die sich zwar rasch in ihre neue Mutterrolle einfindet, aber eine nicht unproblematische Entscheidung trifft, was ihre Partnerwahl angeht, und so für reichlich Konfliktpotential sorgt.

Das alles ist wieder mit Humor und einigen unerwarteten Wendungen geschildert, so dass Die kleine Kanzlei entdeckt Neues insgesamt eine nette und vergnügliche Lektüre bildet, um für ein paar Stunden dem Alltag zu entfliehen. Anknüpfungspunkte für eine mögliche Fortsetzung der Romanserie sind auch hier wieder vorhanden, und wenn Elly Sellers sich inhaltlich treu bleibt und noch etwas an der handwerklichen Seite des Schreibens feilt, könnte sich ein Blick in einen etwaigen nächsten Band durchaus lohnen.

Elly Sellers: Die kleine Kanzlei entdeckt Neues. Norderstedt, Books on Demand, 2020, 310 Seiten.
ISBN: 978-3752689464

Ergänzung (13.03.2021): Die Neuauflage von Die kleine Kanzlei entdeckt Neues ist laut Elly Sellers inzwischen erschienen.


Genre: Roman

Die kleine Kanzlei am Markt

Kerstin und Helen betreiben, unterstützt von ihrer patenten Sekretärin Frau Vogt, gemeinsam eine Anwaltskanzlei in München, könnten aber gar nicht gegensätzlicher sein. Während Kerstin sich oft genug zwischen Beruf und Familie aufreibt und eigene Interessen immer wieder zurückstellen muss, führt Helen ein flottes Junggesellinnenleben, fühlt sich aber eigentlich einsam und hegt heimliche Wünsche, die sich in einer klassischen Paarbeziehung gar nicht verwirklichen lassen würden.
Der eingespielte Alltagstrott der drei gerät aus dem Takt, als Frau Vogt dahinterkommt, dass ihr Mann sie betrügt, und Kerstin am selben Tag entdeckt, dass auch ihr zu Hause etwas verschwiegen wird. Helen dagegen schwebt unversehens im siebten Himmel: Nicht genug damit, dass ihre heißgeliebte Nichte nach einem längeren Auslandsaufenthalt bei ihr einzieht, ein überaus attraktiver Mandant entwickelt plötzlich ein alles andere als geschäftliches Interesse an ihr. Aber kann das lange gut gehen?

Die kleine Kanzlei am Markt ist ein ruhig erzählter Unterhaltungsroman, dem man anmerkt, wie viel Herzblut und Begeisterung Elly Sellers in die Geschichte gesteckt hat. Detailfreudig entwickelt sie ihre Figuren und malt das frühlingshafte München als Schauplatz liebevoll aus. Insbesondere kulinarische Köstlichkeiten spielen dabei eine große Rolle, ganz gleich, ob die Protagonistinnen gerade selbst den Kochlöffel schwingen oder Cafés, Restaurants und Delikatessengeschäfte aufsuchen. Die Gefahr, Appetit auf alles Mögliche von Pfannkuchen über belgische Pralinen bis hin zur Riesenportion Erdbeeren zu bekommen, ist beim Lesen eindeutig immer wieder gegeben. Doch auch Unternehmungen wie Wanderungen, Joggingrunden oder Museumsbesuche kommen nicht zu kurz und bilden einen vergnüglichen Kontrapunkt zur minutiös beschriebenen Arbeit in der Kanzlei. Da Elly Sellers selbst Anwältin ist, weiß sie, worüber sie schreibt, und erlaubt sich auch Seitenhiebe auf die übertriebene Darstellung des Berufs in den einschlägigen Anwaltsserien im Fernsehen.
Apropos Fernsehen: Die Handlung mit ihrem slice-of-life-Ansatz könnte man sich auch gut als Serie verfilmt vorstellen. Vorhersagbar verläuft sie übrigens nicht, denn die Heldinnen schlagen teilweise unerwartete Wege ein, um ihr Glück zu finden. Sympathisch ist, dass sehr unterschiedliche Lebensentwürfe als gleichermaßen legitim dargestellt werden, statt eine Lösung als passend für alle zu präsentieren. Formelhaft wie im klassischen Liebesroman entwickeln sich die zwischenmenschlichen Beziehungen nicht.

Wer noch eine federleichte, lockere und immer wieder auch humorvolle Sommerlektüre sucht, die überraschende Wendungen bietet, wird hier daher fündig, und vielleicht kann man auch auf eine Fortsetzung um die Erlebnisse der drei Frauen aus der Kanzlei am Markt hoffen. Denn Platz für spannende neue Entwicklungen bleibt am Ende auf jeden Fall.

Elly Sellers: Die kleine Kanzlei am Markt. Norderstedt, Books on Demand, 2018, 338 Seiten.
ISBN: 9783749429820


Genre: Roman