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Bretonischer Ruhm

Kommissar Georges Dupin und die Ärztin Claire Lannoy haben endlich geheiratet und sind im Gebiet der Loiremündung, das zwar längst nicht mehr verwaltungsmäßig, aber doch historisch und kulturell zur Bretagne zählt, auf Hochzeitsreise. Doch aus dem Plan, entspannt von Weingut zu Weingut zu fahren, wird nichts, da schon zu Beginn der Flitterwochen der Winzer Brian, der zugleich auch der immer noch freundschaftlich verbundene Ex-Mann von Claires bester Freundin Cécile ist, beim Joggen erschossen wird. Die zuständige Polizei aus Nantes glaubt zunächst an eine unglückliche Zufallsbegegnung mit einem gewaltbereiten Wilderer, aber Claire ist sich da alles andere als sicher und drängt ihren Mann, selbst zu ermitteln, obwohl er dazu eigentlich gar nicht befugt ist. Dass unterdessen die Hiobsbotschaft eintrifft, dass ein eifriger Grünspecht es auf die Holzverkleidung des Hauses des frischgebackenen Ehepaars abgesehen hat, trübt die Ferienstimmung zusätzlich. Aber dann geschieht ein zweiter Mord, und Dupin muss, unterstützt von Claire und Cécile, tätig werden, um dem von Weinkultur und komplizierten zwischenmenschlichen Beziehungen geprägten Fall auf den Grund zu gehen.

Bretonischer Ruhm, der zwölfte Band von Jean-Luc Bannalecs Reihe um Kommissar Dupin, bewegt sich in gewohnten Bahnen: Wie immer wird eine regionale Besonderheit – hier eben der Weinbau im äußersten Südosten der Bretagne – zum Hintergrund eines Mordfalls, den Dupin mithilfe von reichlich Kaffee und Vertrauten aus seinem Umfeld, die ihren eigenen Kopf haben, aufklären muss. Am vergnüglichsten liest sich dabei in diesem Fall der Nebenhandlungsstrang um den hartnäckigen Specht, den Dupins Untergebene von der Polizei in seiner Abwesenheit mit allen Mitteln zu bekämpfen versuchen. Der eigentliche Krimi (mit obligatorischer Lebensgefahr für den Kommissar gegen Ende und so viel Weingenuss nebenbei, dass man beeindruckt ist, dass Dupin es schafft, nüchtern genug zu bleiben, um den Fall zu lösen) ist solide, krankt aber ein wenig daran, dass Dupin und die beiden Frauen in Privatdetektivmanier auch noch zu einem Zeitpunkt, als die Lage eigentlich zu kritisch dafür wird, die Zusammenarbeit mit der lokalen Polizei vermeiden und dadurch vermeidbare Risiken eingehen. So kann natürlich alles einen schön dramatischen Verlauf nehmen, keine Frage – aber nötig gehabt hätte die Geschichte diese ein bisschen zu gewollte Spannungsmaximierung eigentlich nicht, um unterhaltsam zu sein.

Wünschenswert wäre es dagegen gewesen, ein paar Ungereimtheiten am Rande auszuräumen. So heißt es z. B. im Text, dass das Weingut Château Joly am Westufer des Lac de Grand-Lieu liegt (S. 195), auf der Karte in der vorderen Umschlagklappe ist es aber am Ostufer eingezeichnet. Auch fällt auf, dass Dupin seiner Mitarbeiterin Nolwenn am Telefon zweimal vom Fund einer besonderen Weinflasche im Besitz des ersten Mordopfers erzählt (S. 215 und 227), Nolwenn aber beim zweiten Mal noch überrascht reagiert, als wäre die Information ihr völlig neu. Zudem bleibt die Frage, warum in einer örtlichen Legende im Jahre 555 noch der heilige Martin als Bischof von Tours amtiert (S. 83), ungeklärt – aber was so ein echter Heiliger ist, lässt sich von einer Kleinigkeit wie dem eigenen Tod vielleicht nicht davon abhalten, weiter sein Amt auszuüben.

Ungeachtet dieser kleinen Schönheitsfehler macht Bretonischer Ruhm natürlich trotzdem Spaß, weil man einfach immer wieder gern in Bannalecs lebens- und liebenswerte Bretagne zurückkehrt und die neuesten Abenteuer der sympathischen Truppe um Dupin verfolgt. Das Gesamtkonzept stimmt nach wie vor, so dass man kleine Schwächen des einzelnen Bandes verzeiht und auch zu einer Fortsetzung noch neugierig greifen dürfte.

Jean-Luc Bannalec: Bretonischer Ruhm. Kommissar Dupins zwölfter Fall. Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2023, 340 Seiten.
ISBN: 978-3-462-05404-0


Genre: Roman

Bretonische Nächte

Kommissar Dupin hat sich als Zugezogener in der Bretagne schon mit einigen lokalen Merkwürdigkeiten auseinandersetzen müssen, aber was er jetzt erlebt, geht ihm doch zu weit: Joëlle, die kerngesunde, wenn auch betagte Tante seines Mitarbeiters Inspektor Kadeg, hat angeblich Vorzeichen für ihren nahenden Tod gesehen, und nun sind alle überzeugt, dass ihr Schicksal besiegelt ist. Dupin hält den Aberglauben für lächerlich. Als aber Joëlle kurz darauf tatsächlich stirbt und auch noch Kadeg auf ihrem idyllischen Anwesen niedergeschlagen wird, muss er sich damit auseinandersetzen, dass hier vielleicht doch etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, wenn auch auf sehr irdische Art. Wer könnte hinter dem lebensgefährlichen Angriff auf den Inspektor stecken – die lieben Verwandten, die ihm seinen Anteil am Erbe neiden, der Gärtner, der seine Geheimnisse hat, oder doch nur irgendein Fremder, der darum wusste, dass sich ein Einbruch hier hätte lohnen können? Dann aber häufen sich Indizien dafür, dass Joëlle nicht an Altersschwäche gestorben ist, und alles erscheint noch einmal in ganz neuem Licht …

Der Krimi Bretonische Nächte ist der elfte, in dem Jean-Luc Bannalec (alias Jörg Bong) seinen Helden Kommissar Dupin in der Bretagne ermitteln lässt, aber nicht der beste der Reihe. Wie gewohnt wird hier routiniert alles geboten, was den Reiz von Bannalecs Bretagnekrimis ausmacht: viel Lokalkolorit, schwelgerische Landschaftsbeschreibungen, kulinarische Genüsse und reichlich Aufmerksamkeit für Kunst, Kultur und Historisches. Allerdings ist der eigentliche Kriminalfall nicht besonders spannend. Man ahnt rasch, wer für den Angriff auf Kadeg und auch für den Tod seiner Tante, der sich natürlich als Mord herausstellt, verantwortlich sein könnte, aber das Motiv für diese Taten (und eine, die noch folgt) ist eher schwach. Wer die Bücher vor allem liest, um sich auf unterhaltsame Art mit Besonderheiten der Bretagne zu beschäftigen, wird jedoch sicher durchaus seine Freude haben und in diesem Fall vor allem etwas über Apfelanbau und Cidre, die Comicfigur Bécassine und den ausgestorbenen Riesenalk erfahren.

Aber die Geschichte, in die diese hübschen Details eingebettet sind, vermittelt einem doch etwas das Gefühl, nach dem mittlerweile vertrauten Schema heruntergeschrieben zu sein, um das alljährliche Buch veröffentlichen zu können. Zu dem Eindruck trägt wohl auch bei, dass manche der wiederkehrenden Figuren nur noch bloße Rollen zu erfüllen scheinen, statt voll ausgearbeitete Charaktere zu sein (so ist Dupins Mitarbeiter Riwal hier schlicht das wandelnde Lexikon zu allen Bretagnefragen, ohne darüber hinaus viel Persönlichkeit erkennen lassen zu dürfen, und seine Kollegin Nevou wenig mehr als ein Name). Immerhin ergibt sich zum Ausgleich eine Weiterentwicklung im Privatleben des kaffeeliebenden Kommissars, und ein schlechtes Buch sind die Bretonischen Nächte trotz allem nicht, aber doch eines, bei dem man sich die Frage stellt, ob der Zauber der Bretonischen Verhältnisse sich wirklich auf unbegrenzt viele Bände ausdehnen lässt.

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Nächte. Kommissar Dupins elfter Fall. Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2022, 330 Seiten.
ISBN: 978-3-462-05403-3


Genre: Roman

Bretonische Idylle

Kommissar Dupin findet keine Zeit, sich seiner jüngst geschlossenen Freundschaft mit einer neugierigen Robbe zu widmen, sondern muss sein morgendliches Bad im Meer verfrüht beenden: Im Hafen eines kleinen Fischerorts treibt ein Ermordeter. Bald stellt sich heraus, dass es sich um den wohlhabenden Schafzüchter Patric Provost von der malerischen Belle-Île handelt, der nur selten aufs Festland kam. Da der gebrechliche alte Verwandte, den er besucht hat, als Mörder nicht infrage kommt, liegt es nahe, den Grund für Provosts Tod auf seiner Heimatinsel zu suchen. Dort verläuft das Leben nach etwas anderen Spielregeln als in der übrigen Bretagne. Die Insulaner bilden eine eingeschworene Gemeinschaft und machen Dupin die Ermittlungen nicht unbedingt leicht, so dass nur eines schnell feststeht: Jeder, der Provost gekannt hat, könnte ein Motiv gehabt haben, ihn aus dem Weg zu räumen, war er doch kein freundlicher Zeitgenosse und allgemein äußerst unbeliebt. Doch dann kommt es zu einer Entführung und bald darauf zu einem zweiten Mord – ist der Fall also doch komplizierter, als er auf den ersten Blick erscheint?

Was Jean-Luc Bannalec (alias Jörg Bong) auch in diesem neuesten Band seiner Reihe um den aus Paris in die Bretagne verpflanzten, aber mittlerweile ganz gut dort angekommenen Kommissar Georges Dupin bietet, ist eine Mischung aus spannender Krimihandlung und schwelgerischer Schilderung einer geschichtsträchtigen und landschaftlich eindrucksvollen Region. Auch wenn die titelgebende Bretonische Idylle durch Verbrechen getrübt wird, stehen die Schönheit der Gegend, Besonderheiten wie die Schafzucht, ehrgeizige Windenergieprojekte oder die zahllosen Menhire immer wieder im Vordergrund. Dupins Untergebener Riwal darf wie gewohnt vieles direkt erläutern, aber das Buch geht mit seiner Rolle als unerschöpfliche Informationsquelle zum Glück so selbstironisch um, dass man gut damit leben kann, dass Wissenswertes über Land und Leute nicht unauffälliger eingeflochten wird.

Die Auflösung des Kriminalfalls selbst wird genreerfahrenen Leseratten sicher bekannt vorkommen, denn eine sehr ähnliche Wendung (wenn auch nicht mit dem gleichen Ausgang für die Beteiligten) kommt in einem berühmten Roman von Agatha Christie zum Einsatz. Bis dahin aber macht es trotz der dunklen Wolken, die über Dupins Privatleben aufzuziehen drohen, viel Spaß, mit ihm auf der Belle-Île herumzustöbern, und da der Kommissar kulinarischen Genüssen alles andere als abgeneigt ist, kann man sich durchaus darüber amüsieren, dass auch der entscheidende Hinweis, der es ihm am Ende erlaubt, den Mord aufzuklären, mit Essen zu tun hat.

Mit der Rekonstruktion der Geschehnisse, die zu Provosts Tod und den weiteren damit verbundenen Verbrechen geführt haben, ist der Roman aber noch nicht zu Ende, und das nicht nur, weil die Robbe vom Anfang zum Schluss hin dankenswerterweise noch einen Auftritt bekommt. Denn in diesem zehnten Band der Reihe feiert Dupin zugleich buchintern sein zehnjähriges Dienstjubiläum in der Bretagne, das für ihn und andere den Anlass bietet, Bilanz zu ziehen. Ob darin gezielt die augenzwinkernde Aufforderung an die Leser mitschwingt, zurückzublicken und zu überlegen, wie gut ihnen Bannalecs Bücher bisher gefallen haben, sei einmal dahingestellt. Wenn man sich die Frage beantworten möchte, kommt man jedenfalls zu dem Schluss, dass die Reihe mit ihrem liebevollen Lokalkolorit und ihren teilweise herrlich kauzigen Figuren zu Recht nach wie vor zu den beliebtesten unter der großen Auswahl von Frankreichkrimis zählt.

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Idylle. Kommissar Dupins zehnter Fall. Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2021, 318 Seiten.
ISBN: 978-3-462-05402-6

 

 


Genre: Roman

Bretonische Verhältnisse

Kommissar Georges Dupin, aus Paris in die Bretagne strafversetzt, aber mittlerweile ganz gut in der neuen Heimat angekommen, sieht sich mit einem mysteriösen Mordfall konfrontiert: Im Künstlerort Pont-Aven wird ein alter Hotelier erstochen. Wer könnte ein Motiv gehabt haben – die Angehörigen, zu denen das Opfer ein gespanntes Verhältnis hatte, die Hotelangestellten, der langjährige beste Freund oder vielleicht doch der undurchsichtige Direktor des örtlichen Museums? Alles erscheint in ganz neuem Licht, als Dupin herausfindet, dass der Ermordete ein Geheimnis hatte, das mit den Aufenhalten des berühmten Malers Paul Gauguin in Pont-Aven zusammenhängt. Doch dann wird eine zweite Leiche gefunden …
Wenn man erst spät ein bekanntes Buch liest, aus dem sich inzwischen eine seit Jahren erfolgreiche Serie entwickelt hat, verändert das unweigerlich den Blick: Die Erwartungen sind hoch, aber zugleich hegt man vielleicht eine gewisse Skepsis, ob der Hype wirklich berechtigt ist.
In diesem Fall erkennt man jedoch bei der Lektüre rasch, dass Bannalecs Krimis ihre Popularität verdient haben: Ein spannender Fall, ein eingängig gezeichnetes Ermittlerteam um den in allen Lebenslagen Unmengen von Kaffee trinkenden Kommissar und augenzwinkernde Seitenhiebe auf Klischees des Genres bieten glänzende Unterhaltung.
Der Hauptreiz liegt aber natürlich gar nicht so sehr in der Aufklärung des Mordes, sondern in der liebevollen Schilderung der Bretagne einschließlich ihrer Eigenarten, kulinarischen Köstlichkeiten, landschaftlichen Schönheit und Sehenswürdigkeiten. Gelegentlich wird ziemlich deutlich, dass Bannalec dabei für eine gute Beschreibung auch gern Umwege der Handlung (und seines Helden) in Kauf nimmt: So gelangt Dupin z.B. gegen Ende des Romans auf der Suche nach einem Beweisstück in einen besonders pittoresken Ort, der selbstverständlich in allen Details schwelgerisch heraufbeschworen wird, bevor sich erweist, dass der Kommissar vielleicht doch besser an anderer Stelle nachsehen sollte.
Zentral ist natürlich auch die Geschichte der Schule von Pont-Aven, wobei der Autor die realen kunsthistorischen Details gekonnt mit fiktiven verknüpft und ein Gemälde hinzuerfindet, das zwar in Wirklichkeit nicht existiert, sich aber durchaus glaubwürdig ins Œuvre des Künstlers einfügt, dem es zugeschrieben wird.
Ein Wermutstropfen sei allerdings nicht verschwiegen: Sprachlich ist leider nicht alles perfekt. Der Roman hätte ein gründlicheres Lektorat und Korrektorat gebrauchen können. Die Liste des Verbesserungswürdigen reicht von Tippfehlern und anderen Kleinigkeiten (so hat z.B. Pont-Aven im Text – anders als auf der beigefügten Karte – rätselhafterweise durchgängig keinen Bindestrich) über doch recht viele vermeidbare Wortwiederholungen bis hin zu Formulierungen, die so umgangssprachlich sind, dass sie schon an Grammatikfehler grenzen („brauchen“ mit Infinitiv ohne „zu“). Da es sich bei der mir vorliegenden Ausgabe schon um die vierte Auflage des Romans handelt, ist es doppelt bedauerlich, dass solche Schnitzer entweder niemandem aufgefallen sind oder vom Verlag schlicht als unwichtig eingestuft werden.
Ein gutes Buch sind die Bretonischen Verhältnisse trotzdem ohne jede Frage, aber gerade deshalb hätten sie den fehlenden Feinschliff unbedingt verdient.

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Verhältnisse. Ein Fall für Kommissar Dupin. 4. Aufl. Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2012, 302 Seiten.
ISBN: 978-3462044065


Genre: Roman