Bretonische Nächte

Kommissar Dupin hat sich als Zugezogener in der Bretagne schon mit einigen lokalen Merkwürdigkeiten auseinandersetzen müssen, aber was er jetzt erlebt, geht ihm doch zu weit: Joëlle, die kerngesunde, wenn auch betagte Tante seines Mitarbeiters Inspektor Kadeg, hat angeblich Vorzeichen für ihren nahenden Tod gesehen, und nun sind alle überzeugt, dass ihr Schicksal besiegelt ist. Dupin hält den Aberglauben für lächerlich. Als aber Joëlle kurz darauf tatsächlich stirbt und auch noch Kadeg auf ihrem idyllischen Anwesen niedergeschlagen wird, muss er sich damit auseinandersetzen, dass hier vielleicht doch etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, wenn auch auf sehr irdische Art. Wer könnte hinter dem lebensgefährlichen Angriff auf den Inspektor stecken – die lieben Verwandten, die ihm seinen Anteil am Erbe neiden, der Gärtner, der seine Geheimnisse hat, oder doch nur irgendein Fremder, der darum wusste, dass sich ein Einbruch hier hätte lohnen können? Dann aber häufen sich Indizien dafür, dass Joëlle nicht an Altersschwäche gestorben ist, und alles erscheint noch einmal in ganz neuem Licht …

Der Krimi Bretonische Nächte ist der elfte, in dem Jean-Luc Bannalec (alias Jörg Bong) seinen Helden Kommissar Dupin in der Bretagne ermitteln lässt, aber nicht der beste der Reihe. Wie gewohnt wird hier routiniert alles geboten, was den Reiz von Bannalecs Bretagnekrimis ausmacht: viel Lokalkolorit, schwelgerische Landschaftsbeschreibungen, kulinarische Genüsse und reichlich Aufmerksamkeit für Kunst, Kultur und Historisches. Allerdings ist der eigentliche Kriminalfall nicht besonders spannend. Man ahnt rasch, wer für den Angriff auf Kadeg und auch für den Tod seiner Tante, der sich natürlich als Mord herausstellt, verantwortlich sein könnte, aber das Motiv für diese Taten (und eine, die noch folgt) ist eher schwach. Wer die Bücher vor allem liest, um sich auf unterhaltsame Art mit Besonderheiten der Bretagne zu beschäftigen, wird jedoch sicher durchaus seine Freude haben und in diesem Fall vor allem etwas über Apfelanbau und Cidre, die Comicfigur Bécassine und den ausgestorbenen Riesenalk erfahren.

Aber die Geschichte, in die diese hübschen Details eingebettet sind, vermittelt einem doch etwas das Gefühl, nach dem mittlerweile vertrauten Schema heruntergeschrieben zu sein, um das alljährliche Buch veröffentlichen zu können. Zu dem Eindruck trägt wohl auch bei, dass manche der wiederkehrenden Figuren nur noch bloße Rollen zu erfüllen scheinen, statt voll ausgearbeitete Charaktere zu sein (so ist Dupins Mitarbeiter Riwal hier schlicht das wandelnde Lexikon zu allen Bretagnefragen, ohne darüber hinaus viel Persönlichkeit erkennen lassen zu dürfen, und seine Kollegin Nevou wenig mehr als ein Name). Immerhin ergibt sich zum Ausgleich eine Weiterentwicklung im Privatleben des kaffeeliebenden Kommissars, und ein schlechtes Buch sind die Bretonischen Nächte trotz allem nicht, aber doch eines, bei dem man sich die Frage stellt, ob der Zauber der Bretonischen Verhältnisse sich wirklich auf unbegrenzt viele Bände ausdehnen lässt.

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Nächte. Kommissar Dupins elfter Fall. Köln, Kiepenheuer & Witsch, 2022, 330 Seiten.
ISBN: 978-3-462-05403-3


Genre: Roman