Das verborgene Leben der Füchse

Füchse sind keine seltenen Tiere, führen aber doch aus Menschensicht oft ein eher zurückgezogenes und heimliches Leben. Das verborgene Leben der Füchse stellt Andreas Tjernshaugen daher in den Mittelpunkt seines Buchs. Gemeint ist hier vor allem der Rotfuchs (nur in einem gesonderten Kapitel tritt auch der Polarfuchs auf), und der geographische Schwerpunkt liegt in der Heimat des Autors, am Oslofjord in Norwegen.

Tjernshaugen ist kein Biologe, und so ist seine Perspektive die eines naturbegeisterten Beobachters, der vor allem bei Waldspaziergängen mit oder ohne Hund, aber auch bei Tierparkbesuchen in die Nähe von Füchsen kommt. Daneben befasst er sich mit der Kulturgeschichte des menschlichen Blicks auf den Fuchs und mit den unschönen Seiten des Fuchsdaseins wie der oft intensiven Bejagung oder der Pelztierzucht.

Die Informationen, die zur Lebensweise des Fuchses allgemein und zur Fuchsforschung geboten werden, bilden einen netten und gefällig zu lesenden Einstieg ins Thema für Neugierige, bieten aber für alle, die sich schon näher mit Füchsen befasst haben und auch direkt aus der wissenschaftlichen Beschäftigung mit ihnen entstandene Bücher wie etwa das von Sophia Kimmig kennen, nur wenig Neues.

Anders ist das mit den Abschnitten, die sich mit kulturhistorischen Aspekten befassen, denn hier erfährt man, wie die vor allem durch die Rezeption des französischen Roman de Renart in der Literatur vieler europäischer Länder bekannte, im Deutschen als Reineke Fuchs geläufige Gestalt nach Skandinavien gelangte und welche mögliche Erklärung es dafür gibt, dass sie dort, abweichend von der übrigen Tradition, den Namen „Mikkel“ erhielt (dahinter könnte sich – ganz sicher ist es nicht – eine Anspielung auf eine reale Person verbergen, die in den politischen Wirren um Christian II. von Dänemark eine Rolle spielte). In Norwegen gelangte dieser Mikkel Rev dann im 20. Jahrhundert als am Ende geläuterter Antagonist eines Kinderhörspiels mit Mäusehelden zu neuen Ehren – ein Beispiel dafür, wie sehr das schon früh in Literatur und Kunst belegte Bild des listigen, mit Vorsicht zu genießenden, aber in manchen Zügen dann doch wieder sympathischen Fuchses bis in die Moderne bestehen geblieben ist.

Wie wirkmächtig solche Vorstellungen auch in der Sicht der Menschen auf das reale Tier bis heute sind, wird von Tjernshaugen immer wieder reflektiert. Er schreibt dabei mit viel Zuneigung zu seinen kleinen Protagonisten und plädiert dafür, sie lieber als intelligent und anpassungsfähig denn als verschlagen zu sehen. Charmant und mit Humor sind seine eigenen Erlebnisse mit den oft überraschend handelnden Füchsen geschildert, ganz gleich, ob im Tierpark ein Kinderhandschuh entwendet wird oder der vermeintlich von der im Wald angebrachten Wildkamera „beobachtete“ Fuchs diese bemerkt und selbst zu einer gründlichen Inspektion schreitet.

Damit verbunden ist aber auch die aus den Erfahrungen des Autors resultierende Warnung, nicht aus lauter Begeisterung und Neugier zum Störfaktor für Wildtiere zu werden, sondern sich lieber etwas zurückzunehmen. Wer das beherzigen, sich aber trotzdem mit Füchsen beschäftigen will, kann Andreas Tjernshaugen auf seinem mit vielen Abbildungen angereicherten Streifzug durch Das verborgene Leben der Füchse begleiten und sich so leicht und unterhaltsam den Tieren annähern, die in freier Wildbahn vielleicht doch lieber unbelästigt bleiben.

Andreas Tjernshaugen: Das verborgene Leben der Füchse. Eine Spurensuche. Berlin, Insel Verlag, 2023, 216 Seiten.
ISBN: 978-3-458-64371-5


Genre: Sachbuch allgemein