Großartige Giganten

Dinosaurier aller Art zählen zu den populärsten ausgestorbenen Tieren und werden vom Film bis zum Kinderspielzeug in jeder nur erdenklichen Hinsicht von der Populärkultur aufgegriffen. Aber auch ihre wissenschaftliche Erforschung entwickelt sich rasant: Immer neue Fossilienfunde verhelfen zu ungeahnten Erkenntnissen über ferne Epochen der Erdgeschichte.

Armin Schmitt verbindet in Großartige Giganten einen chronologischen Abriss der Naturgeschichte der Dinosaurier von der Trias bis zur Oberkreide mit Schlaglichtern auf ihre Erforschung in historischer Zeit und teils ernsten, teils humorvollen Berichten über seine eigene wissenschaftliche Arbeit bei paläontologischen Ausgrabungen und Wissensvermittlung. Durch das Ineinandergreifen der verschiedenen Bereiche ist eine abwechslungsreiche Lektüre garantiert, bei der man nicht nur über die Dinosaurier, sondern auch über unsere heutige Welt einiges lernen kann (z. B., dass Fossilienfunde, anders als etwa archäologisch bedeutsame Stücke, keinen besonderen Schutz genießen und oft ohne Weiteres in Privatbesitz übergehen oder gar ins Ausland verkauft werden können).

Der Stil, in dem die Inhalte präsentiert werden, ist locker, unterhaltsam und allgemeinverständlich, bisweilen vielleicht auch etwas zu launig (spätestens bei der Unterkapitelüberschrift Die Kloake: Wie machen Dinosaurier Pipi? fühlt man sich eher an ein äußerst simpel gestricktes Kinderbuch erinnert, als das Gefühl zu haben, dass hier ein erwachsenes Lesepublikum ernst genommen wird). Immer wieder gelingt es Schmitt aber auch, eigentlich Unvorstellbares zumindest im Ansatz greifbar zu machen. So verdeutlicht er etwa die langen Zeitspannen, mit denen man es bei der Beschäftigung mit Dinosauriern zu tun hat, indem er darauf hinweist, dass die Kreidezeit, in der der berühmte Tyrannosaurus Rex lebte, vom Millionen Jahre älteren Jura, in dem z. B. der Stegosaurus vorkam, weiter entfernt ist als von der Jetztzeit, wir also vom zeitlichen Abstand her der jüngeren Dinosaurierart näher sind, als es für die beiden Arten untereinander gilt.

Auch warum die jahrmillionenlange Erfolgsgeschichte der Dinosaurier so jäh endete, wird plausibel gemacht: Da Eier mit Kalkschale, wie sie auch die Dinosaurier legten, nur eine begrenzte Größe haben können, damit die Schale nicht so dick wird, dass der Nachwuchs darunter erstickt, waren bei vielen bekannten Arten die Jungen im Vergleich zu ihren Eltern extrem klein und besetzten darum im Lauf ihres Wachstums ganz unterschiedliche ökologische Nischen. Solange ein Ökosystem stabil blieb, war das kein Problem, sobald auch nur eine der benötigten Komponenten ausfiel, aber sehr wohl. Die Vorfahren der heutigen Vögel, in denen die Dinosaurier weiterleben (und, ja – man erfährt auch, welche der heutigen Arten ihren Vorfahren noch ganz besonders nahe sind), hatten dank der weniger stark betroffenen Nischen, die sie besetzten, und dank ihrer Flexibilität mehr Glück und konnten die Folgen des im wahrsten Sinne des Wortes welterschütternden Asteroideneinschlags, der vor 66 Millionen Jahren das Ende vieler Arten und einer Epoche besiegelte, besser verkraften.

Die Erkenntnis, dass selbst so lange die Erde dominierende Lebewesen wie die Dinosaurier nicht vor einer Katastrophe gefeit waren, sieht Schmitt auch als Mahnung für uns Menschen, mit Klimakrise und Artensterben nicht arrogant im Vertrauen auf die vermeintliche eigene Unverwundbarkeit umzugehen, sondern sich seine Verantwortung und die daraus resultierenden Notwendigkeiten bewusst zu machen.

Auch abseits dieser aktuellen Bezüge sind die Großartigen Giganten informativ und unterhaltsam, so dass einen das Angebot des Autors, er könne über die paläontologische Forschung bei einem Erfolg seines Buchs später gern mehr berichten (S. 322), sehr neugierig macht. Immer her mit der Fortsetzung!

Armin Schmitt: Großartige Giganten. Den letzten Geheimnissen der Dinosaurier auf der Spur. München, dtv, 2023, 352 Seiten.
ISBN: 978-3-423-35207-9


Genre: Sachbuch allgemein