Hinter den drei Kiefern

Das Dorf Three Pines, in dem Armand Gamache, der umstrittene Polizeichef von Québec, lebt, wirkt auf den ersten Blick wie ein Bilderbuchidyll. Doch als auf einer Halloweenparty eine vermummte Gestalt erscheint und dann am nächsten Tag auf dem Dorfanger Stellung bezieht, ohne auf irgendeinen Gesprächsversuch einzugehen, macht sich Unruhe im Ort breit. Feriengäste bringen Gamache auf die Idee, dass es sich bei dem seltsamen Verhalten um die Wiederbelebung eines uralten Rügebrauchs handeln könnte, der auf ein ungesühntes Unrecht hinweisen soll. Spätestens als die dunkle Gestalt so plötzlich verschwindet, wie sie gekommen ist, und Gamaches Frau bald darauf eine übel zugerichtete Leiche im Kirchenkeller findet, steht fest, dass alles weit mehr ist als nur ein bizarrer Streich. Monate später sitzt für diesen Mord jemand auf der Anklagebank, doch der Prozess nimmt einen seltsamen Verlauf: Der Staatsanwalt scheint alles zu tun, um die Glaubwürdigkeit seines Hauptbelastungszeugen Gamache gezielt zu untergraben, und auch der Polizeichef selbst verfolgt noch ganz andere Pläne, als auf eine Verurteilung hinzuwirken …

Louise Pennys Hinter den drei Kiefern ist nicht der chronologisch erste Band ihrer Reihe um Armand Gamache, lässt sich aber dennoch problemlos als in sich abgeschlossenes Buch lesen, und das lohnt sich: Es handelt sich um einen originell aufgebauten und anspruchsvollen Krimi, der nicht nur durch die feine Figurenzeichnung, sondern auch durch den souveränen Einsatz zweier Zeitebenen überzeugt.

Obwohl der Roman durchaus insofern dem klassischen Whodunnit-Prinzip folgt, dass man als Leser oder Leserin miträtseln kann, wer denn nun die Urlauberin Katie Evans erschlagen hat, verzichtet er nämlich auf die sonst für die Gatttung typische lineare Erzählweise, sondern wechselt zwischen den Ereignissen um Halloween und denen um das Gerichtsverfahren hin und her. Letzteres bildet auch den Einstieg ins Buch, und bevor der Fund des Mordopfers überhaupt geschildert wird, sind schon um die 150 Seiten vergangen. Dass Gamache den sonderbaren Todesfall aufgeklärt haben muss und dass er es in der Gegenwart darauf abgesehen hat, Drogenschmugglern das Handwerk zu legen, erfährt man relativ bald, aber erst nach und nach erschließt sich, wie beide Verbrechen zusammenhängen und was für ein Spiel der Ermittler selbst spielt. Viel Spannung und mehr als eine überraschende Wendung gibt es dabei bis zum Schluss, der im Vergleich zum Rest des Buchs zu gewollt dramatisch und blutig ausfällt, die Geschichte aber dennoch zu einem überzeugenden Ende führt.

Die größte Stärke des Romans liegt aber in seinem Personal, das neben Gamache, seinem Team, seiner Familie, den Verdächtigen und der Belegschaft des Justizapparats auch noch eine ganze Anzahl teilweise herrlich skurriler Dorfbewohner umfasst. Wer z.B. die Krimis von Martha Grimes oder Fred Vargas weniger wegen der Mordfälle als wegen der gekonnt geschilderten kauzigen Typen liest, findet in Louise Penny eine Autorin, die in derselben Liga spielt und ebenso liebevoll wie differenziert ganz unterschiedliche Charaktere entwickelt. Erwähnung verdient hier insbesondere die alte und mehr als nur ein wenig wunderliche Dichterin Ruth, die – stets eine lebendige Ente unter dem Arm und um boshafte Bemerkungen nie verlegen – zur Lösung des Falls mehr beiträgt, als ihr irgendjemand zutraut.

Trotz der behandelten ernsten Themen wie Drogenkriminalität und schwieriger Gewissensentscheidungen würzt Penny die Dialoge und die Gedankengänge ihrer Figuren immer wieder auch mit einer ordentlichen Prise Humor. Zu düster gerät der Abstieg in die kleinen und großen Abgründe kanadischen Provinzlebens deshalb nie, und nach der Lektüre bleibt man mit dem Eindruck zurück, gut unterhalten worden zu sein, aber auch reichlich Stoff zum Nachdenken bekommen zu haben.

Louise Penny: Hinter den drei Kiefern. Ein Fall für Gamache. Zürich, Kampa, 2018, 496 Seiten.
ISBN: 978-3311120025


Genre: Roman