In feiner Gesellschaft

Von ihrem Verlobten verlassen, sucht die in ihrem Alltagstrott festsitzende Dulcie Mainwaring Ablenkung auf einer Tagung für wissenschaftliche Hilfskräfte. Dort schließt sie Bekanntschaft mit der schwierigen Viola, die unglücklich in den Literaturhistoriker Aylwin Forbes verliebt ist, dem sie zuarbeitet. Auch Dulcie fühlt sich rasch zu dem tief in der Midlife-Crisis steckenden Aylwin hingezogen und stellt mit geradezu detektivischem Ehrgeiz Nachforschungen über ihn und seine Verwandtschaft an. Ihm näherzukommen, erweist sich aber als gar nicht so einfach, vor allem, als neben Viola, die nach einem Streit mit ihrer Vermieterin schnell eine neue Bleibe braucht, auch noch Dulcies junge Nichte Laurel bei ihr einzieht und ihrerseits Aylwins Interesse weckt …

Barbara Pyms frisch auf Deutsch herausgekommener Roman In feiner Gesellschaft ist im Original bereits 1961 erschienen, in seiner präzisen Beobachtung menschlicher Schwächen und verwickelter Beziehungen aber herrlich zeitlos. Manches hat sich in den letzten sechzig Jahren offenbar kein bisschen geändert, so etwa, dass ein literaturwissenschaftlicher Universitätsabschluss alles andere als ein Garant für eine glänzende Karriere ist und gerade bei Frauen meist bestenfalls in eher undankbare Tätigkeiten wie die Registererstellung für fremde Bücher mündet. Auch Männer mittleren Alters, die nach einer gescheiterten Ehe nicht immer unbedingt mit Erfolg ihr Glück bei einer Jüngeren suchen, sind vermutlich nicht seltener geworden.

Barbara Pym zeichnet ihre Nicht-ganz-Heldinnen und -Helden mit spitzer Feder, aber durchaus nicht ohne Sympathie, und nimmt mit viel Augenzwinkern die Absurdität von Alltagssituationen aufs Korn. Skurrile Dekorationsobjekte spielen dabei ebenso eine wiederkehrende Rolle wie pointiert eingesetzte literarische Zitate und zahlreiche verschrobene Figuren, und es gibt sogar eine kleine Szene, in der man wohl einen Gastauftritt der Autorin selbst (bzw. ihres fiktiven Alter Egos) erblicken darf.

Viel Vergnügen macht auch die Treffsicherheit, mit der die geschilderten Milieus heraufbeschworen werden, ob nun die Akademikerkonferenz, der Kirchenbasar oder der etwas verstaubte Charme eines Badeorts in der Nebensaison. Von wirklich feiner Gesellschaft, wie sie der deutsche Titel verspricht, kann allerdings keine Rede sein: Eher ist hier eine Mittelschicht karikiert, die sich zwar durch Bildung und (häufig nur vermeintlich) guten Geschmack von sozial Unterlegenen abzugrenzen versucht, dabei aber selbst oft genug zum Lachen bis Kopfschütteln reizt.

Apropos Titel: Obwohl sich das Buch in Sabine Roths gelungener Übersetzung flüssig und unterhaltsam liest, bedauert man doch, dass sich für den englischen Titel, das abgewandelte Gedichtzitat No Fond Return of Love, keine auch nur annähernde Übertragung ins Deutsche gefunden hat, denn er umreißt eigentlich sehr schön, worum es in diesem bunten Beziehungsreigen geht: Liebe wird selten (sofort) erwidert, und wenn sie einmal verloren ist, kehrt sie auch nicht zurück.

Doch auch wenn der perfekte deutsche Titel fehlt, ist In feiner Gesellschaft ein ungemein lesens- und liebenswerter Roman, der mit Humor und Stil zu überzeugen weiß. Wer gern einen literarischen Ausflug in die jüngere englische Vergangenheit unternehmen möchte, kann hier absolut nichts falsch machen.

Barbara Pym: In feiner Gesellschaft. Köln, DuMont, 2020 (Original: 1961), 352 Seiten.
ISBN: 978-3-8321-4

 

 


Genre: Roman