Kurs Südmeer

Die Piratenkapitänin Elissea hat im Streifgebiet einer Rivalin gewildert und nun mit dieser reichlich Ärger, aber die Beute war so mager, dass die Mannschaft aufmüpfig wird – und wie das enden kann, weiß Elissea, selbst einst durch eine Meuterei an die Spitze der Schiffsbesatzung gelangt, nur zu genau. Abhilfe schaffen könnte ein erfolgreicher Überfall. Tatsächlich scheint das Glück ihr hold zu sein, denn das nächste Schiff, das sie kapert, hat Passagiere an Bord, für die Elissea ein Lösegeld zu erpressen hofft: die Adlige Sabella, die unterwegs zu dem Mann ist, mit dem sie eine arrangierte Ehe eingehen will, ihre zumeist in romantischer Lektüre versunkene Zofe Geronita und den nach einer wilden Jugend fromm gewordenen Missionar Pericomo. Doch schon droht neues Ungemach, denn nicht alle Piraten sind einverstanden damit, dass Elissea ausgerechnet einen Geistlichen als Geisel genommen hat, und zudem ruft die Entführung der drei Pechvögel Sabellas Verlobten (und in Personalunion Pericomos Cousin), den Marinekapitän Dragio, auf den Plan …

Marie Mönkemeyers Roman Kurs Südmeer ist in der Welt des Rollenspiels Das Schwarze Auge angesiedelt, aber auch ohne entsprechende Vorkenntnisse problemlos zu verstehen (bei unbekannten Begriffen hilft ein Glossar weiter). Die leichtfüßige und bisweilen selbstironische Abenteuerkomödie bietet Piratenunterhaltung mit filmisch raschen Szenenwechseln und lässt sich auch fast so schwungvoll wie ein Streifen à la Fluch der Karibik verschlingen. Von Rum über Kämpfe und das Ringen mit den Naturgewalten bis hin zu einer einsamen Insel ist hier so gut wie alles dabei, was in eine Seefahrergeschichte gehört (bloß der eigentlich noch zu erwartende Krake hat es nur in den Lieblingsfluch der Kapitänin und nicht in eine tragende Rolle geschafft).

Dennoch sind diese Elemente nicht das zentrale Thema des Romans, sondern eher vergnügliches Beiwerk. Primär geht es im Großen wie im Kleinen um die Erkenntnis, dass das, was einem im Leben (vermeintlich) Halt gibt – ob nun gesellschaftliche Konventionen, Unterhaltungsliteratur, religiöse Maximen oder schlicht das Streben nach einem besseren Dasein –, allein noch lange nicht ausreicht, um einem in jeder Situation als Kompass zu dienen. Die durchaus nicht unsympathsichen Hauptfiguren müssen alle lernen, sich selbst und ihre Überzeugungen zu hinterfragen und sich auf Neues einzulassen. Am liebevollsten sind dabei sicher Pericomo und Elissea ausgearbeitet, aber auch Sabella, Geronita und sogar Dragio dürfen jeweils eine kleine Entwicklung durchmachen und haben am Ende etwas hinzugelernt.

Der Stil ist modern, locker und gerade in der wörtlichen Rede ziemlich umgangssprachlich, die Geschichte selbst kurz und abwechslungsreich, so dass sie sich auch für alle eignet, die langen Romane eher skeptisch gegenüberstehen. Trotz aller ernsten Untertöne (so werden traumatische Erfahrungen, Armut, Gewalt, Sklaverei und Tod nicht ausgeblendet) lebt das Buch vor allem von seinem Humor. Marie Mönkemeyer hat ein gutes Gespür für Situationskomik und schwelgt manchmal geradezu in lustigen Szenen (so z. B., wenn ein Mitglied der Piratenmannschaft zum Gaudium der anderen aus einem Geronita abgenommenen Piratenroman vorliest, der mit der Realität wenig zu tun hat). Doch Witz steckt auch in manchen Formulierungen, nicht nur im Roman selbst sondern sogar in der Personenliste (taucht dort ein „lieber anonym bleibender Freibeuter“ auf, ahnt man schon, dass es amüsant wird).

Um für ein paar Stunden innerlich abzuschalten und dem Alltagstrott zu entfliehen, ist Kurs Südmeer also gut geeignet, und man könnte das durchaus in schlechterer Gesellschaft als der Elisseas und ihrer Piraten und Gefangenen tun.

Marie Mönkemeyer: Kurs Südmeer. Ein Roman in der Welt von Das Schwarze Auge. Waldems, Ulisses Spiele, 2017, E-Book (auch als Printausgabe erhältlich).
ISBN: 978-3-95752-938-1


Genre: Roman