The Gladiator’s Passion

Der im römischen Britannien aufgewachsene junge Militärarzt Maius Florius Corvinus hat Liebeskummer, denn der Mann, den er seit Jahren anhimmelt, ohne dass sein Interesse je erwidert worden wäre, heiratet, und dann auch noch ausgerechnet die Schwester seines unglücklichen Verehrers. Ein neuer Posten im fernen Vetera am Rhein soll Maius äußerlich wie innerlich den nötigen Abstand verschaffen, und dass er ihn nur übernehmen kann, wenn er sich mit der übellaunigen Katze seines Vorgängers arrangiert, ist bald sein geringstes Problem. Denn aus einem spontanen Liebesabenteuer mit dem gefeierten Gladiator Rufulus alias Caomh wird schnell mehr, als auch nur einer von beiden im Voraus hätte ahnen können, und als wäre eine ernsthafte Beziehung zwischen einem ehrbaren Arzt und dem Bodensatz der Gesellschaft nicht ohnehin schwierig genug, macht der von seinem harten Leben gezeichnete Caomh es Maius auch nicht unbedingt immer leicht. Doch auch abseits von Argwohn und Missverständnissen droht Ungemach: Der bösartige Legat Ulpianus, der Caomh einst als Kriegsgefangenen versklavte und widerrechtlich in die Arena schickte, ist in der Gegend, und was er vorhat, könnte das brüchige Idyll restlos zerschmettern …

Der Titel The Gladiator’s Passion verrät es: Sandra Schwabs im römischen Xanten angesiedelter Liebesroman ist keiner, in dem die Figuren schüchtern die Schlafzimmertür hinter sich zuziehen, bevor es handfest zur Sache geht, und das tut es zwischen Maius und Caomh nicht zu knapp. Wer angesichts der detailfreudig ausgemalten erotischen Szenen aber davon ausgeht, die typische Form unterhaltsamer Romance vor sich zu haben, in der der historische Hintergrund bestenfalls eine vage Kulisse ist, irrt, denn The Gladiator’s Passion ist vor allem eines: verdammt gut recherchiert, weit besser als manch ein sich nach außen hin vielleicht anspruchsvoller anmutende Roman. Damit bietet das Buch auch ganz abseits von Lust, Liebe und gehöriger Dramatik viel Lesevergnügen beim Entdecken all der eingeflochtenen historischen Details, ganz abgesehen von augenzwinkernden literarischen Anspielungen. So werden Fans von Rosemary Sutcliff ein bestimmtes Schmuckstück in einem hier geschilderten wiedererkennen (und sich amüsieren, dass Sandra Schwab sogar eine Erklärung für eine bei Sutcliff immer wieder erwähnte Beschädigung liefert), während alle, die gern Fantasy lesen, das drohende Verhängnis wohl schon ahnen, wenn ein Würstchen ausgerechnet bei einem Mann mit dem völlig unverdächtigen Namen Dibblinius erstanden wird.

Bei allem immer wieder aufscheinenden Humor zeichnet Schwab aber durchaus kein geschöntes Bild der Römerzeit. Schattenseiten wie die hohe Kindersterblichkeit, die allgegenwärtige Kriminalität (oder die brutalen Strafen dafür) und vor allem immer wieder auch die Sklaverei spielen durchaus eine Rolle und prägen  die Figuren. Wie Caomh sich in einer Welt, die ihm so ziemlich alles zugemutet hat, was kein Mensch sollte erleben müssen, an seinen Stolz klammert und mit Zynismus auch vor sich selbst zu überspielen versucht, wie tief seine seelischen Wunden eigentlich gehen (und wie sehr er menschliche Nähe bräuchte), ist einfühlsam eingefangen, obwohl man mitleidet, wenn ausgerechnet der herzensgute Maius, dessen sensibler Umgang auch mit von anderen Verachteten eine mögliche Erklärung in seiner besonderen Familiengeschichte hat, wiederholt unverdient einiges an Misstrauen und hilfloser Wut erdulden muss. Die größeren Veränderungen ergeben sich im Laufe der Geschichte also sicher bei Caomh, doch auch bei Maius gibt es einige nett subtile Entwicklungen, ob er nun die lang ersehnte Zuneigungsbekundung der reservierten Katze endlich bekommt, als er sie eigentlich von ganz anderer Seite gebrauchen könnte, oder, nachdem er erst beim Einkaufen nicht um den Preis feilschen mochte, am Schluss des Buchs offensichtlich oft genug über seine Grenzen hinausgetrieben worden ist, um sich nicht mehr zu scheuen, auf seine Art bei einem Kissenhändler das Bestmögliche herauszuholen.

Ohnehin sind die Figuren bis in die Nebenrollen hinein gut gezeichnet, ob nun der lebenslustige Centurio Damianus, mit dem Maius sich anfreundet und der immer auf das örtliche Bier und die Aufmerksamkeit der Damenwelt erpicht ist, der unter dem Spitznamen Cepula („Zwiebelchen“) bekannte Wirt, der Caomh so etwas wie ein väterlicher Freund ist, der gefürchtete Pilus Prior Adelphios, mit dem sich zwar niemand anlegen möchte, auf den aber im Zweifelsfall doch mehr Verlass ist als erhofft, oder auch Maius’ Familienangehörige, denen selbst Caomhs schlechte Laune auf die Dauer nicht gewachsen ist. Der Spaß, den die Autorin selbst an ihren Charakteren hat, ist in jeder Zeile greifbar und überträgt sich beim Lesen, und dass wiederholt auch die amüsanten Seiten der Epoche (wie die übergroße Zierfischbegeisterung oder der schwunghafte Souvenirhandel, der Maius zu einer ganzen Sammlung von Gladiatorenfigürchen mit – sehr wichtig! – aufgemalten Sommersprossen verhilft) vorkommen, sorgt dafür, dass sich das Buch trotz aller üblen Dinge, die den Helden zustoßen, insgesamt ausgesprochen vergnüglich liest. Wer für ein paar flotte Lesestunden in ein überzeugend heraufbeschworenes römisches Germanien abtauchen möchte und sich nicht scheut, sich dabei auf den Liebesromanaspekt einzulassen, sollte Maius und Caomh also eine Chance geben.

Sandra Schwab: The Gladiator’s Passion, o.O. 2023 (E-Book).
ISBN: 979-8-22-324047-1


Genre: Roman