Die Toten von Brambly Hedge

Das hier besprochene Buch ist der zweite Teil einer Reihe; die Rezension des ersten Bandes ist hier zu finden.

Erst vor kurzem und durchaus nicht zur allgemeinen Freude hat DCI Liam Woodhouse das Disziplinarverfahren überstanden, das nach seinem letzten großen Fall unausweichlich war, und auch ansonsten sieht die Lage trübe aus: An seinen Personalentscheidungen gibt es Kritik von allen Seiten, im Privatleben sind allerlei Probleme zu bewältigen und die enge Zusammenarbeit mit Joanna Bloom, die für ihn mehr als eine beliebige Untergebene ist, hat ein vorläufiges Ende gefunden. Als drei Mitglieder eines sonst unzertrennlichen Quartetts von Obdachlosen tot aufgefunden werden und der Vierte aus der Runde, ein gewisser Shaun Pantinkin, spurlos verschwunden ist, kommt zu allem Elend auch noch von höherer Stelle die Order, den Fall gar nicht erst zu verfolgen. Zu offensichtlich scheint eine Überdosis Drogen im Spiel gewesen zu sein. Aber Woodhouse wäre wohl nicht Woodhouse, wenn er nicht dennoch seinem Verdacht nachgehen und Bloom mit ins Boot holen würde, um herauszufinden, wer Die Toten von Brambly Hedge auf dem Gewissen hat.

Wer mit dem Namen „Brambly Hedge“ bisher nur die niedlichen Mäusegeschichten von Jill Barklem verbindet, wird sich verwundert die Augen reiben, denn was Christian Wagnon in seinem neuen Krimi auffährt, ist von der idyllischen Welt der liebenswerten Bilderbücher denkbar weit entfernt. Geht es erst nur darum, Pantinkin aufzuspüren und festzustellen, ob er Täter, Opfer oder an dem Vorfall völlig unbeteiligt ist, kommen bald noch Drogen- und Menschenhandel, die Ausbeutung und Misshandlung Hilfloser (von jugendlichen im sozialen Abseits bis hin zu kranken alten Leuten), unschöne Verhältnisse in einer sozialen Einrichtung, die eigentlich die Schwächsten unterstützen soll, und eine äußerst unersprießliche Familiengeschichte voller Hass und Missgunst mit ins Spiel. Dass es selbstverständlich auch nicht bei drei Toten bleibt, sondern weitere Menschen ums Leben kommen oder zumindest in große Gefahr geraten, versteht sich da fast schon von selbst. Besonders bedrückend ist daran, dass teilweise reale Ereignisse die Inspiration für den Roman geliefert haben (auf den Missbrauchsskandal von Rotherham wird explizit Bezug genommen).

Die Geschehnisse werden dabei nicht nur aus Sicht der Polizei geschildert: Parallel zu den Mordermittlungen entwickelt sich die damit zunächst scheinbar nur zufällig verbundene Geschichte des jungen Kylen Desai, der in die Dienste eines Kriminellen gepresst wird und, wie auch seine mit einer drogenabhängigen Cousine geschlagene Freundin Jayda Ellis, Dinge erlebt, die wahrlich nichts für schwache Nerven sind.

Wie immer bei Christian Wagnon gibt es aber den ein oder anderen Ausgleich zu den harten Krimianteilen: Gelegentlich gönnt er seinen Figuren durchaus ein wenig Behaglichkeit und kulinarische oder musikalische Genüsse, und die polizeiinternen Intrigen, die diesmal sogar die dienststelleneigenen Meerschweinchen in ernste Gefahr bringen, sind mit einem Schuss Humor erzählt, der auch in der Namensgebung mitschwingt (dass ein Lokal ausgerechnet The Sinking Ship heißt, sagt schon einiges über die Atmosphäre des Buchs aus). Apropos Tiere: Auch Schafe spielen diesmal eine durchaus nicht unwichtige Nebenrolle.

Insgesamt ist also auch der zweite Band um die Payton Lane ein spannender Krimi, der sich bei aller Düsternis flott liest und die Neugier auf das wiederkehrende Figurenensemble wachhält, das hier zwar schon erste, aber beileibe nicht alle seiner Geheimnisse preisgibt.

Christian Wagnon: Die Toten von Brambly Hedge. DCI Liam Woodhouse Band 2. Dresden 2023. E-Book (über Amazon zu beziehen).
ASIN: ‎ B0CBWTM5CG

 


Genre: Roman