Wo die Spuren aufhören

Das hier besprochene Buch ist Teil einer Serie. Es lässt sich zwar als in sich abgeschlossener Roman lesen, aber zum besseren Verständnis trägt es bei, Band 7 schon zu kennen.

Nach langen Jahren als Mordermittler ist Armand Gamache im Ruhestand und hat sich mit Frau und Hund ins idyllische Three Pines zurückgezogen. Dennoch hat er bald einen neuen Fall zu lösen, und noch dazu im Freundeskreis: Peter, der Mann der Künstlerin Clara Morrow, ist nach einer Trennung auf Zeit nicht zum vereinbarten Termin nach Hause zurückgekehrt und hat sich noch nicht einmal gemeldet. Hat er Clara etwa ohne weitere Aussprache dauerhaft verlassen – oder ist ihm sogar etwas zugestoßen? Natürlich kann Gamache gar nicht anders, als zu helfen, und holt auch seinen ehemaligen Stellvertreter Beauvoir mit ins Boot, um auf die Suche nach dem Verschollenen zu gehen. Bald zeigt sich, dass Peter das allein verbrachte Jahr offenbar zu einer Art Selbstfindungsreise quer durch Europa genutzt hat, um dann nach Kanada zurückzukehren und zu verschwinden. Aber wirklich spurlos? Das gilt es nun herauszufinden und erfordert ein Einlassen auf die zutiefst von Neid und Missgunst geprägte Kunstwelt …

Ein wenig wundert man sich über die Entscheidung des Verlags, Wo die Spuren aufhören, den zehnten Band von Louise Pennys Reihe um Armand Gamache, direkt im Anschluss an den achten zu veröffentlichen, während der neunte ein späteres Erscheinungsdatum hat. Denn schnell wird klar, dass in der fortlaufenden Hintergrundhandlung der Bücher in diesem zunächst noch fehlenden Band entscheidende Entwicklungen eingetreten sein müssen: Die dramatischen Umstände, unter denen es zu Gamaches Ausscheiden aus dem Dienst gekommen ist, werden hier zwar angedeutet, aber nicht näher ausgeführt, und auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen des Stammpersonals hat sich inzwischen einiges weiterentwickelt.

Die Rückkehr der teilweise verschrobenen, aber nicht unsympathischen Gestalten, die den gewohnten Handlungsort Three Pines bevölkern, sorgt wieder für einen deutlich stärkeren Roman, als Unter dem Ahorn mit seinen Irrungen und Wirrungen in einem doch eher sonderbar gezeichneten Kloster es war, aber der Fall selbst, der sich nach und nach aus den Recherchen herauskristallisiert, bei denen diesmal neben den üblichen Ermittlern auch Gamaches Frau Reine-Marie, die unverwüstliche alte Dichterin Ruth Zardo und die Buchhändlerin Myrna Landers kräftig mitmischen, ist dann doch wieder relativ bizarr, was allerdings insgesamt nicht untypisch für die bei Louise Penny geschilderten Verbrechen ist.

Wer übrigens zu hoffen wagt, dass sich hier einmal eine bekannte Autorin getraut haben könnte, eine Genrekonvention auszuhebeln und einen Krimi ohne Mord zu verfassen, irrt leider: Gegen Ende des Buchs kommt es doch noch zu zwei Bluttaten, und Penny setzt dabei unter anderem auch auf den Schockeffekt, es einer ihrer seit den ersten Bänden wiederkehrenden Figuren an den Kragen gehen zu lassen.

Der Weg zu diesem eher düsteren Schluss bietet aber wieder viel Amüsantes und Menschliches (herrlich geschildert ist z.B., wie Ruth in Myrnas Abwesenheit auf ihre ganz eigene Art als Aushilfsbuchhändlerin einspringt). Der schon im achten Band auffällige und höchst beklagenswerte Mangel an Lakritzpfeifen ist allerdings immer noch nicht behoben – ein eindeutiges Manko, wenn man die Reihe vor allem aus Freude an solch liebenswerten Details liest …

Die Übersetzung dieses Bandes stammt, wie schon die des zuletzt auf Deutsch erschienenen, von Sepp Leeb, und die in der damaligen Rezension gegebene Einschätzung lässt sich auch auf dieses Buch übertragen: Das spürbare Bemühen um einen umgangssprachlicheren und allgemein etwas härteren Stil tut Pennys Krimis nicht gut, da sie stark von ihren philosophischen Ansätzen und ihrem feinen Humor leben.

Louise Penny: Wo die Spuren aufhören. Der zehnte Fall für Gamache. Zürich, Kampa, 2021, 480 Seiten.
ISBN: 978-3-311-12031-5


Genre: Roman