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Blogkooperation mit „Schmeckt nach mehr“: Feast of Sorrow

Ganz wusste ich nicht, was auf mich zukommen würde, als Sabine Schlimm von Schmeckt nach mehr mich vor einiger Zeit fragte, ob ich Lust auf eine gemeinsame Blogaktion zu Crystal Kings historischem Roman Feast of Sorrow hätte.

Zugesagt habe ich trotzdem sofort, denn diese Zusammenarbeit wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Sabines Blog ist immer lesenswert. Oft sind ihre Beiträge nachdenklich und philosophisch (ob es nun ums Fleischessen geht oder darum, wie viel weltoffener unsere Gesellschaft ohne den Holocaust als Zäsur geworden wäre). Andere laden zum Träumen ein, wie dieser Ausflug nach Amrum. Dann wieder wird es urkomisch, wenn man etwa eine fiktive Redaktionskonferenz verfolgen darf. Auf jeden Fall lassen einem ihre Rezepte das Wasser im Munde zusammenlaufen. Umso verlockender also, die Schöpferin all dieser leckeren Gerichte in Sachen altrömische Küche aktiv werden zu sehen! Denn dass die römische Antike zu meinen Lieblingsepochen zählt, ist für alle, die schon länger auf Ardeija.de mitlesen, sicher kein Geheimnis.

Vor dem Hintergrund war es dann auch nicht weiter schlimm, dass der Roman, den ich inzwischen gelesen und rezensiert habe, durchaus reißerische Passagen zu bieten hat. Viel wichtiger ist, dass darin auch eine Fülle kulinarischer Genüsse beschrieben wird.

Im Mittelpunkt der Geschichte steht nämlich Apicius, der als Autor des antiken Kochbuchs De re coquinaria gilt. Die heute bekannte, in mittelalterlichen Handschriften überlieferte Fassung seines Werks wurde wohl erst im 3. oder 4. Jahrhundert kompiliert, doch Apicius selbst wird in aller Regel mit Marcus Gavius Apicius identifiziert, einem Verschwender und Feinschmecker, über den aus der Epoche des Kaisers Tiberius (der von 14 bis 37 n. Chr. herrschte) die wildesten Anekdoten überliefert sind. Crystal King ergänzt das Leben der ohnehin schon schillernden Gestalt um einige nicht minder wüste erfundene Episoden.

Von den Gaumenfreuden, die King in Feast of Sorrow heraufbeschwört, hat sich Sabine Schlimm zu einem leckeren Rezept inspirieren lassen: Hähnchen nach Art der Parther an Linsenpüree mit Kastanien. Nachkochen dringend empfohlen! Sabines Einschätzung zu Feast of Sorrow, ein paar Kostproben aus dem Roman und spannende Informationen über die römische Küche allgemein gibt es in ihrem Beitrag außerdem.

Ob sich auch die Lektüre des Romans auch aus meiner Sicht lohnt, lässt sich in der neuen Rezension nachlesen.

Wer neugierig auf den historischen Apicius und seine Rezeptsammlung geworden ist, findet eine schöne zweisprachige Ausgabe bei Reclam:

Marcus Gavius Apicius: De re coquinaria. Über die Kochkunst. Lateinisch / Deutsch, hrsg., übersetzt und kommentiert von Robert Maier. Stuttgart, Reclam, 1991 (RUB 8710), 262 Seiten.
ISBN: 3150087104

Sieben Fakten

Sameena Jehanzeb von Moyas Buchgewimmel – Bloggerin, Grafikerin und Autorin des lesenswerten Romans BRÏN – hat im Rahmen der Aktion The Versatile Blogger Award eine Liste mit sieben Fakten über sich gepostet und möchte nun unter anderem auch von mir sieben Fakten lesen. Da Ardeija.de primär ein Buchblog ist, kommen hier also sieben Informationen über mich, die sich vor allem auf Lesevorlieben beziehen.

  1. Was das Lesen und Schreiben betrifft, bin ich altmodisch
    Ich lese nach wie vor am liebsten Bücher aus Papier und schreibe meine Geschichten, aber auch Notizen für Rezensionen oder etwa für diesen Text erst einmal per Hand, bevor es an den Computer geht.
  2. Mit Problembüchern habe ich ein Problem
    Schon als Kind und Jugendliche mochte ich es nicht, als Schullektüre moralisch wertvolle Bücher und Geschichten vorgesetzt zu bekommen, in denen ein mit erhobenem Zeigefinger behandeltes düsteres Thema alles erschlägt. Ich fürchte, die Auseinandersetzung damit hat meine Empathie für Seelenqualen leidende junge IRA-Kämpfer und ähnlich nervtötende Protagonisten nicht unbedingt gesteigert. Eine Spätfolge davon ist, dass ich bis heute einen großen Bogen um Romane mache, die mir wie Problembücher für Erwachsene vorkommen, und lieber auf die setze, die eine gute Geschichte versprechen (und es oft ganz en passant schaffen, ernste Belange viel unverkrampfter auszuloten).
  3. Ich mag Illustrationen
    Dementsprechend schade finde ich es, dass Romane für Erwachsene viel seltener illustriert sind als die für Kinder. Es mag eine Kostenfrage sein, aber durch schöne Bilder könnten manche Bücher sehr gewinnen. Bei Sachbüchern – insbesondere zu naturkundlichen und archäologischen Themen – freue ich mich übrigens immer, wenn es statt oder neben Fotos gezeichnete Illustrationen gibt, in denen sich bestimmte Details viel besser erkennen lassen.
  4. Gleichberechtigung ist für mich ein hohes Gut, im Leben wie in der Literatur
    Wenn in einem Buch durchklingt, dass der Autor oder die Autorin keinen Wert darauf legt und ein sehr starres Geschlechterrollenbild vertritt, schlägt mich das schneller in die Flucht als fast jeder andere Mangel, ganz gleich, ob es sich um ein Sachbuch oder um einen Roman handelt. Deshalb mute ich es meiner Leserschaft in meinen eigenen Geschichten auch zu, mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau in einer ansonsten eher frühmittelalterlichen Fantasywelt leben zu müssen.
  5. Ich bin ein Fan von Fabelwesen
    Drachen, Greifen, Trolle & Co. machen einen Roman für mich garantiert interessanter, und ich freue mich auch immer sehr, wenn sie mir in Sachtexten begegnen (ganz gleich, ob es nun um Mythologie, Kunst oder die römerzeitliche Verehrung eines Drachen als Lokalgottheit geht).
  6.  Bei Romanen (mit Ausnahme von Krimis) lese ich den Schluss zuerst
    Das geschieht in aller Regel schon im Buchladen und beeinflusst meine Kaufentscheidung nicht unbeträchtlich – schließlich möchte ich wissen, ob sich für das Ziel, auf das es zugeht, die viele Seiten lange Reise lohnt. Denn …
  7. Ich bin sehr für gute Enden
    Nicht immer muss es sich dabei um schiere Glückseligkeit für alle oder zumindest für die „Guten“ der Geschichte handeln (obwohl auch das manchmal sehr schön sein kann). Aber eine tröstliche und sinnhafte Auflösung ist mir wesentlich lieber als eine, die nur auf einen Schockeffekt oder die trübe und nicht gerade bahnbrechende Erkenntnis, dass die Welt eben schlecht sein kann, hinausläuft.

Buchempfehlung: BRÏN

Wer schon länger auf Ardeija.de mitliest, dem ist Sameena Jehanzeb garantiert ein Begriff: Die Grafikerin und Scherenschnittkünstlerin setzt sich in ihrer gestalterischen Arbeit immer wieder auf unterschiedliche Art mit Büchern und Geschichten auseinander und bloggt auch selbst darüber. Jetzt legt sie ihren eigenen Debütroman vor, dessen Entstehung ich miterleben durfte und den ich allen Fans abenteuerlicher Phantastik ans Herz legen kann.

Die junge Juno führt ein nicht weiter bemerkenswertes Leben, bis sie bei der Verfolgung ihrer nicht ganz zufällig ausgebüxten Katze in eine Pfütze stolpert, die sich als magisches Portal zum Planeten Brïn erweist. Juno findet eine Welt im Aufruhr vor: Nach der Ermordung der Edana, der Bewahrerin und Lenkerin der Elementarmagie, droht die Verteidigung gegen die monströsen Skrae zusammenzubrechen. Zudem treibt ein äußerst brutaler Frauenmörder sein Unwesen. In Verdacht gerät ausgerechnet die geheimnisumwitterte Weltenwächterin Kamika, eine Kriegerin, für die Juno bald allen Warnungen zum Trotz viel empfindet. Doch Kamika hasst Menschen von der Erde wie die Pest – und die Gefahr, dass Junos wahre Herkunft ans Tageslicht kommt, ist noch nicht einmal die größte, in der sie schwebt …

Zugegeben, mit Serienkillergeschichten kann man mich eigentlich jagen. Dass ich diese hier dennoch mit Vergnügen erst in der Manuskriptfassung und nun noch einmal als veröffentlichtes Buch gelesen habe, ist der beste Beweis für die Pageturnerqualitäten, die BRÏN schon nach kürzester Zeit entwickelt. In lockerer Sprache und kurzen Kapiteln gehalten, liest der Roman sich hervorragend in einem Rutsch weg. Neben Dauerspannung und Abenteuern bietet er auch eine originelle Welt, die charmant in Auszügen aus einem Buch im Buch, dem fiktiven Ratgeber für Neuankömmlinge, erklärt wird, und ansprechend gezeichnete Charaktere.

Juno ist eine freche und selbstbewusste Heldin, die sich trotz der ungewohnten Gegebenheiten, mit denen sie sich arrangieren muss, nie die Butter vom Brot nehmen lässt. In Kamika, unter deren harter Schale ein verletzlicherer Kern steckt, als sie es sich gern anmerken lässt, hat sie die ideale Sparringspartnerin für herrlich sarkastische Dialoge. Höchst lebendig ist aber auch der Rest der Figurenriege geraten, von Kamikas in jeder Hinsicht feurigem Kollegen Erigen über die ermordete Edana Zolana, die aus dem Jenseits ins Geschehen eingreift, bis hin zu Junos gütigem Ziehvater Bramas und seinem Sohn Akko, der mindestens ebenso viele Geheimnisse hat wie Kamika.

Der Planet Brïn ist ein sympathisches Setting, dessen Gesellschaft erfrischend egalitär und frei von Vorurteilen hinsichtlich Geschlecht und sexueller Orientierung ist. Anders als so oft in der Phantastik sind Technik und Magie keine Gegensätze, sondern miteinander zu einem System verknüpft, das Märchenhaftigkeit und Moderne unter einen Hut bringt. Die Fülle liebevoll gestalteter Details würde man gern (vielleicht als Anime?) verfilmt sehen: Reitgreifen, Kommunikationsspiegel, exotische Süßigkeiten und Gewänder mit bewegten Bildern werden einprägsam heraufbeschworen. Ein sorgenfreies Paradies findet Juno dennoch nicht vor, denn auch abgesehen von der Bedrohung durch die Skrae und die abstoßenden Verbrechen ist das Potential für zwischenmenschliche Konflikte so hoch wie überall sonst. Die Erkenntnis, dass Fortschritt und Annehmlichkeiten allein nicht unbedingt in allen Bereichen zu mehr Weisheit führen, nimmt man aus der Lektüre also schmunzelnd mit.

Auch wenn in dieser Buchvorstellung bisher die übernatürlichen Elemente betont worden sind: Einer klaren Genrezuordnung entzieht sich der Roman. BRÏN ist zugleich Thriller mit Mördersuche, phantastisches Weltenrettungsszenario um Ungeheuer und Auserwählte, Liebesgeschichte zwischen zwei starken Frauen und hier und da sogar schräge Komödie. Fantasy und Science Fiction mischen sich mit ein paar unverkrampft neuinterpretierten historischen Elementen (so, wie sie hier auftreten, hat man Jeanne d’Arc und Jack the Ripper noch nie erlebt, versprochen), und anklingende bekannte Motive entwickeln sich oft in eine unerwartete Richtung.

Wer Lust auf mitreißende Unterhaltung hat, die sich traut, anders zu sein, sollte also zugreifen. Magische Spannung ist garantiert!

Sameena Jehanzeb: BRÏN. Uetersen, Butze Verlag, 2017, 428 Seiten.
ISBN: 9783940611574

Buchempfehlung: Altweiberwohnen

Die Arbeiten der Fotografin Juliana Socher begeistern mich seit Jahren immer wieder. Gemeinsam mit der Architekturprofessorin Ulrike Scherzer hat sie nun ein wunderschönes und auf stille Art äußerst wichtiges Buch veröffentlicht: Altweiberwohnen. Gespräche und Fotografien über das Wohnen im Alter.
Die Wohnsituation alter Frauen ist kein oft behandeltes Thema, und kommt sie doch einmal zur Sprache, sind klischeebehaftete Bilder an der Tagesordnung. Dem Idyll der treusorgenden Großmutter im Kreise ihrer Familie steht die Schreckensvision der im tristen Altersheim dahinvegetierenden Greisin gegenüber. Wer Altweiberwohnen aufschlägt, kann diese Vorurteile getrost vergessen, denn Juliana Socher und Ulrike Scherzer stellen gerade die „alten Weiber“ in den Mittelpunkt, die in der allgemeinen Vorstellungswelt keinen Platz haben und doch in der Realität sehr häufig sind: allein lebende Frauen, die ihren Alltag zu Hause noch überwiegend selbständig meistern und in aus Gesprächen mit ihnen entstandenen Texten ausführlich zu Wort kommen.
Vorgestellt werden neunzehn Frauen im Alter zwischen Mitte 70 und weit über 90, und das im wahrsten Sinne des Wortes anhand ihrer „Lebensräume“. Der geographische Rahmen erstreckt sich von Österreich bis Norddeutschland, während das Spektrum der Wohnformen schier unerschöpflich scheint. Von der bescheidenen Genossenschaftswohnung über den Platz im modernen Wohnprojekt oder das zur Altersbleibe umfunktionierte Feriendomizil bis hin zum seit Jahrzehnten geliebten Eigenheim ist alles dabei. Diese Umgebungen mit ihrer Einrichtung und den zahlreichen persönlichen Gegenständen fängt Juliana Socher in unendlich feinfühligen, aber zugleich unsentimentalen Bildern ein, in denen ein Stück Butter oder eine Badewannenecke dieselbe präzise Aufmerksamkeit erhält wie ein atmosphärisches Wohnzimmerinterieur oder ein Ausblick in einen überbordenden Garten. Ähnlich variantenreich ist die fotografische Darstellung der Bewohnerinnen selbst: Ist manch eine nur als Hand beim Umblättern oder in diskreter Rückenansicht präsent, werden andere in klassischerem Sinne porträtiert, aber niemals so, dass sie gestellt posieren. Immer hat man den Eindruck, einen unverfälschten Blick in ein fremdes Leben zu erhaschen.
Dieses Gefühl von Authentizität und Intimität setzt sich in den Texten fort, die als kleine (Wohn-)Biographien zugleich zeitgeschichtliche Dokumente von unschätzbarem Wert sind. Für die meisten interviewten Frauen war der Zweite Weltkrieg eine entscheidende Zäsur im Lebenslauf. Doch während die Härten und Entbehrungen der Kriegs- und Nachkriegsjahre ein wiederkehrendes Element in den Geschichten sind, erweisen sie sich ansonsten als berückend individuell. Hausfrauen stehen neben Berufstätigen (von denen einige noch aktiv sind), Heimatverbundene neben Weitgereisten, und nicht jede war und blieb verheiratet oder wurde Mutter. Mehr als eine Lebensleistung nötigt einem höchsten Respekt ab. In einigen der mit eingeflochtenen persönlichen Gewohnheiten und Vorlieben kann man sich generationenübergreifend selbst wiederfinden, während andere einen zum halb bewundernden Schmunzeln reizen mögen. Abhärtungsbäder in der Regentonne, zu denen auch die Enkel animiert werden, lernt man hier jedenfalls ebenso kennen wie eine mehrere Schränke umfassende Sammlung hochhackiger Schuhe (alle noch in Gebrauch!). Ernster, aber dafür umso anrührender sind die Schilderungen des Umgangs mit Altern und Tod von Angehörigen und Freunden sowie der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit.
So unterschiedlich die verschiedenen Frauen und ihre Wohnverhältnisse auch sind, kristallisieren sich doch in der Zusammenschau zwei Dinge heraus, die – ganz unabhängig von Gesundheitszustand und Finanzen – für ein gutes Leben im Alter entscheidend zu sein scheinen: Kontakt zu anderen Menschen in einem Umfang, der einem selbst zusagt (ob nun zur Familie, zu Nachbarn oder zu Gleichgesinnten in einem Verein), und die Pflege eigener Interessen, die über den Alltagstrott hinausgehen, ganz gleich, ob es sich dabei um Gärtnern, Lesen, Forschen, Schmuckgestaltung oder Religion handeln mag. Wie entscheidend gerade für dieses lebenswichtige Festhalten an persönlichen Neigungen die eigene Wohnumgebung ist, macht der Bildband eindrucksvoll deutlich und regt einen dadurch auch zum Nachdenken über die eigene Zukunft an.
Damit geht Altweiberwohnen letztlich über die reine Dokumentation hinaus und gewinnt eine philosophische Komponente, die einen sicher noch lange nach der ersten Lektüre immer wieder zu dem Buch greifen lässt, um über kluge und witzige Zitate nachzudenken und in der Bilderfülle zu schwelgen. Unbedingt empfehlenswert!

Ulrike Scherzer, Juliana Socher: Altweiberwohnen. Gespräche und Fotografien über das Wohnen im Alter. Salzburg/Wien, Residenz Verlag, 2016, 152 Seiten.
ISBN: 9783701733934

Buchtipps: Natur

Wer schon länger auf Ardeija.de mitliest, weiß wahrscheinlich, dass ich eigentlich aus gutem Grund keine naturwissenschaftlichen Sachbücher vorstelle. Wie gesagt, eigentlich – denn einige Bücher aus diesem Bereich sind einfach viel zu schön und interessant, um sie nicht zu erwähnen, auch wenn keine ganzen Rezensionen daraus geworden sind. Mehr dazu hier.

Neu rezensiert: 1177 v. Chr.

1177 v. Chr. Der erste Untergang der Zivilisation hält zwar nicht hundertprozentig, was es auf den ersten Blick zu versprechen scheint, bietet aber dennoch einen spannenden Ausflug in die Bronzezeit mit all ihren fremdartigen wie verblüffend modernen Zügen. Mehr darüber in der neuen Rezension.

Neu rezensiert: Geformt mit göttlichem Atem

Unter den Funden aus der Römerzeit zählen Glasgegenstände oft zu den schönsten. Wie viel sich an ihnen über ihren künstlerischen Wert hinaus ablesen lässt, schildert die Archäologin Andrea Rottloff in Geformt mit göttlichem Atem, einem hochinteressanten Buch, das aber leider als Bildband seine Schwächen hat. Die neue Rezension ist hier zu finden.

Neu rezensiert: Aus Liebe zum Buch

Ironischerweise habe ich ausgerechnet Ann Patchetts Aus Liebe zum Buch, ein Büchlein, in dem es um die Gründung einer Buchhandlung und den Zauber solcher Läden geht, keinem Einkauf im Buchladen zu verdanken, sondern einem Gewinnspiel. Ein Zufallsbuch also, das sich aber gut liest – mehr darüber in der neuen Rezension.

Der Reigen unrezensierter Bücher

Reigen unrezensierter Bücher

Foto: © Maike Claußnitzer

In meinen allgemeinen Bemerkungen zum Rezensieren habe ich einmal erklärt, dass nicht jedes Buch, das ich lese, auch auf Ardeija.de besprochen wird. Warum darunter auch manch eines ist, das inhaltlich eigentlich gut zu den anderen im Blog passen würde, soll hier rasch an einigen Beispielen aus meiner Lektüre der letzten Wochen erläutert werden.

Das erste unrezensierte Buch, Harry Sidebottoms militärhistorische Studie Der Krieg in der antiken Welt (ISBN 9783150203972), ist eigentlich lesenswert, geht es darin doch weniger ums schiere Hauen und Stechen als um die kulturelle Bedeutung des Kriegs für Selbst- und Fremdbild der Menschen des Altertums und für die Entwicklung bestimmter sozialer Phänomene, daneben aber auch um die moderne Rezeption antiker Kriege und mögliche Fehlannahmen darüber. Doch naturgemäß gibt es weitreichende thematische Überschneidungen mit Armin Eichs vor kurzem besprochenen Söhnen des Mars, die – umfangreicher und von der Perspektive her grundsätzlicher ausgerichtet – noch ein wenig mehr zu bieten haben. Nach der Betrachtung von Eichs Buch wäre eine tiefergehende Beschäftigung mit Sidebottoms Werk daher nicht sonderlich abwechslungsreich gewesen, und so ist es als kurzer Tipp am Rande besser aufgehoben.

Auch im Falle der beiden im 18. Jahrhundert angesiedelten Historienkrimis von Petra Oelker, Die Schwestern vom Roten Haus (ISBN 9783499246111) und Die Nacht des Schierlings (ISBN 9783499254390), ist es nicht im engeren Sinne eine Frage der Qualität, dass sie es nicht zu einer Rezension gebracht haben. Das Problem ist ein ganz anderes: Obwohl die beiden Romane als getrennte Episoden der auf relativ in sich abgeschlossene Einzelbände angelegten Serie um die Schauspielerin Rosina verkauft werden, gehören sie eng zusammen und können kaum getrennt gelesen oder besprochen werden. Fast hat man den Verdacht, dass hier – vielleicht von Verlagsseite? – aus Umfangsgründen eine einzige lange und verwickelte Geschichte mehr schlecht als recht in zwei Teile gespalten wurde, ohne den Zusammenhang äußerlich kenntlich zu machen. So aber bleiben in den Schwestern zentrale Fragen eines ganzen Handlungsstrangs ungeklärt, während in der Nacht das erst sehr spät eingeführte Mordmotiv wie ein deus oder vielmehr diabolus ex machina wirkt, wenn man das vorhergehende Buch nicht kennt, in dem die Grundlagen zum Verständnis des folgenden Falls geschaffen werden. Was also tun? Eine Doppelrezension für zwei zwar solide und unterhaltsame, aber auch nicht herausragende Krimis konzipieren oder aber ganz auf eine Besprechung verzichten? Ich habe mich für die zweite Variante entschieden.

Dagegen ist es Ari Turunens Kann mir bitte jemand das Wasser reichen? Eine kurze Geschichte der Arroganz (ISBN 9783312006717) zum Verhängnis geworden, dass jede Kritik unweigerlich zu einem halben Verriss geraten wäre. Das mochte ich dem Buch dann auch wieder nicht antun, denn im Prinzip ist Turunens Grundidee löblich: Er zeigt auf, dass viele katastrophale Fehlentscheidungen in der Geschichte und im heutigen Wirtschaftsleben auf Arroganz und Selbstüberschätzung zurückzuführen sind.
Problematisch daran ist jedoch, dass er ohne jegliche Quellenkritik Anekdoten als historische Wahrheit kolportiert oder schlicht falsche Feststellungen trifft. Am besten lässt sich sein sehr freier Umgang mit den Fakten veranschaulichen, wenn man seine Angaben über einen konkreten Vorfall mit dem vergleicht, was darüber tatsächlich in Erfahrung zu bringen ist. So liest man etwa bei Turunen mit Befremden: „Der spanische König Philipp II. verbrannte vor seinem Kamin, weil sein Hofstaat den Beamten, dessen Aufgabe es war, den Sessel des Königs zu verrücken, nicht schnell genug fand.“
Eine Quelle für diese wilde Geschichte gibt Turunen nicht an, aber der Bericht, der ihn inspiriert haben dürfte, hat Philipp III. (und nicht etwa seinen Vater) zum Protagonisten und findet sich in den Memoiren des François de Bassompierre, der aus seiner Perspektive als französischer Gesandter am spanischen Hof die dortige Besessenheit von Etikette und Rangfolgen karikiert. Doch bei allem unterschwelligen Spott über die spanischen Gebräuche stellt Bassompierre den Sachverhalt nicht ganz so dramatisch dar: Hier fordert der gesundheitlich bereits schwer angeschlagene König einen anwesenden Herzog auf, ein Kohlenbecken zu verschieben, dessen Hitze ihm lästig wird, woraufhin der Angesprochene auf die Zuständigkeit eines anderen verweist, der erst umständlich herbeigeholt wird. Die lange Wärmeeinwirkung wird als Grund dafür angegeben, dass sich beim König am Folgetag Fieber und Hautausschlag entwickeln, denen er letzten Endes erliegt.
Sollte es sich tatsächlich so zugetragen haben, bietet auch diese Version noch reichlich Anlass zu Kritik an den Zwängen des Hofzeremoniells und am individuellen Verhalten Beteiligter, aber von der Schauermär über einen aus reinem Hochmut in Flammen aufgegangenen Herrscher ist sie weit entfernt.
Die Versuchung, auch andere Aussagen Turunens ähnlich auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen, wäre bei einer Rezension sehr groß gewesen, und hätte vielleicht auch in Eifer des Gefechts zu mehr Spott verleitet, als ihn das eigentlich gut gemeinte und immerhin anregend und flüssig geschriebene Buch verdient hätte.

So bleibt allen vier Werken also auf Ardeija.de nur die Rolle, vor Augen zu führen, welche Überlegungen einer Besprechung im Wege stehen können.

 

Werbung in eigener Sache: Tricontium

Tricontium wurde schon 2013 zum ersten Mal veröffentlicht, aber nun liegt mein Roman in einer überarbeiteten Neuausgabe vor und ist ab sofort im Buchhandel bestellbar.

Gerechtigkeit ist oft nicht mehr als ein frommer Wunsch – das weiß Herrad, die Richterin, die mit ihrer Versetzung in das abgelegene Tricontium hadert, ebenso gut wie Ardeija, der drachenzähmende Hauptmann ihrer Krieger, oder Wulfila, der Dieb, der Jahre nach seiner Verurteilung unerwartet wieder in ihr Leben tritt. Doch als sich in den Grenzlanden Geisterspuk und gewaltsame Übergriffe zu häufen beginnen, wollen die drei nicht tatenlos zusehen, auch wenn bald keine Menge Tee mehr ausreicht, um gelassen zu bleiben. Denn die Hintergründe der rätselhaften Vorgänge scheinen in einer Zeit zu liegen, die alle gern vergessen würden: Den düsteren Tagen des Bürgerkriegs …

Wer Lust hat, einen Ausflug in ein eher sagenhaftes als historisches Frühmittelalter zu unternehmen, in dem neben römischen Ruinen nicht nur ein paar gezielte Anachronismen, sondern auch reichlich Gespenster und Fabelwesen zu finden sind, für den ist Tricontium das richtige Reiseziel.

Tricontium ist bei BoD erschienen und als Taschenbuch (ISBN: 9783739239743, 17 EUR) oder als eBook (ISBN: 9783741246968, in den ersten zwei Wochen: Aktionspreis 5,99 EUR, danach 6,99 EUR) erhältlich.

Mehr über meine Geschichten auch hier.